Finanzimperium im Haus zum grünen Schild

Vor zweihundert Jahren starb Mayer Amschel Rothschild in Frankfurt

Sein Bankhaus war kaum zehn Quadratmeter groß. In einem einzigen Raum in seinem Haus zum grünen Schild in der Frankfurter Judengasse hatte Mayer Amschel Rothschild seit 1786 sein Kontor. Hier legte er den Grundstein für den Aufstieg seiner Familie und seines Unternehmens zu einem europäischen Finanzimperium.

Frankfurt am Main (pia) Der Laden in dem kleinen Zimmerchen brummte. Spätestens seit Rothschild mit zwei Kompagnons 1792 der Einstieg in das Geschäft mit Heereslieferungen an die kaiserlichen Truppen geglückt war, traten sich die Kunden regelrecht auf die Füße. Das Geld lag hier tagsüber in einem offenen Schrank und wurde abends in einer Kiste verschlossen. Um den Soldaten ihren Lohn in barer Münze auszahlen zu können, wurden tagtäglich große Geldlieferungen durch das Kontor geschleust, die in Säcke zu je 1.000 Gulden verpackt und an die Armee weitergeliefert wurden. Es waren solche Geldmengen, dass sogar der Prinzipal zeitweise den Überblick verlor: Rothschilds Knecht konnte immer wieder größere Geldbeträge stehlen, ohne dass dies auffiel. Letztlich griff Rothschild durch, stellte einen Buchhalter ein, organisierte die Firma neu und führte sie mit strategischem Geschick weiter zur Blüte. „Der kommandierende General“ – so nannten ihn seine fünf Söhne, wenn sie unter sich waren.

Das Haus zum roten Schild gab den Namen

Vor 200 Jahren, am 19. September 1812, starb Mayer Amschel Rothschild in Frankfurt. Nach seinem Tod schwirrten seine Söhne in alle Himmelsrichtungen aus, nach London, Paris, Wien und Neapel, um das vom Vater begründete Bankhaus bald zu weltweitem Ruhm und Erfolg zu führen. Der Stammsitz blieb jedoch in Frankfurt, wo einst im engen und düsteren Ghetto der Judengasse alles begonnen hatte. Im Jahr 1567 errichtete dort ein Vorfahr das Haus zum roten Schild, das der Familie den Namen gab – auch wenn sie schon zwei Generationen später in ein anderes Haus umzog. In jenem Haus zur Hinterpfann wurde Mayer Amschel Rothschild als Sohn eines kleinen Handelsmanns am 23. Februar 1743 oder 1744 geboren. Sein genaues Geburtsjahr ist nicht bekannt, und auch über seine Kinder- und Jugendjahre weiß man fast nichts. Mit elf Jahren wurde er zum Studium auf die Jeschiwa nach Fürth geschickt, um Rabbiner zu werden. Nach dem Tod beider Eltern innerhalb eines halben Jahres 1755/56 musste er das Studium jedoch abbrechen. Stattdessen wurde er bei dem Bank- und Handelshaus von Wolf Simon Oppenheimer in Hannover in die Lehre gegeben.

Geschäfte mit dem Erbprinzen

Mit etwa 20 Jahren, um 1763/64, kehrte Mayer Amschel Rothschild in sein Geburtshaus in der Judengasse zurück. Hier gründete er, zunächst zusammen mit seinem früh verstorbenen Bruder Kalman, ein eigenes Handelsgeschäft. Unverzüglich spezialisierte er sich auf Münzen, Medaillen, antike Kunstgegenstände und Juwelen, deren Verkauf er als Versandhandel anhand von Katalogen und zu Messezeiten über Versteigerungen organisierte. Sein erster bekannter Geschäftsabschluss war 1765 der Verkauf von Medaillen im Wert von 38 Gulden und 30 Kreuzern an den Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Kassel, der damals als Regent der Grafschaft in Hanau residierte. Diese Geschäftsbeziehung sollte für den weiteren Aufstieg Rothschilds sorgen. Bereits 1769 wurde der Münzhändler zum Fürstlich Hessen-Hanauischen Hoffaktor ernannt, was ihm ein gewisses Renommee verlieh. Ein Jahr später heiratete Mayer Amschel Rothschild die Kaufmannstochter Gutle Schnapper; von 1771 bis 1792 wurden dem Ehepaar insgesamt 19 Kinder geboren, von denen fünf Söhne und fünf Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Die Familie lebte seit 1786 im Haus zum grünen Schild in der Judengasse, das Rothschild zum stattlichen Preis von 11.000 Gulden erworben hatte und das später als Stammhaus der Familie bekannt wurde. Im Kontor, das in einem kleinen Raum im Erdgeschoss untergebracht war, arbeiteten die ältesten Söhne Amschel, Salomon und Nathan bald schon, seit ihrem 13. oder 14. Lebensjahr, mit.

Erfolg in England

Zielstrebig baute Mayer Amschel Rothschild sein Geschäft auf und aus. Bereits zu Beginn der Siebzigerjahre war ihm der Einstieg in den Wechselhandel, vor allem mit dem Hanauer Hof, gelungen. Durch die Gewinne aus den Heereslieferungen an die kaiserliche Armee seit 1792 prosperierte das Unternehmen gewaltig, und seit 1795 handelte die Firma zudem erfolgreich mit Tuchen und anderen Waren aus England. Um dort den Warennachschub zu sichern, schickte Rothschild 1798 seinen dritten Sohn Nathan nach England, wo dieser rasch mit großem geschäftlichem Erfolg agierte. Dank seiner alten Hanauer Beziehungen stieg Mayer Amschel Rothschild derweil in Kassel zum Hofbankier des erst als Landgraf, dann als Kurfürst regierenden Wilhelm auf. In Kassel, wo Rothschild eine erste Niederlassung errichtete, begann er den Handel mit Obligationen aus Staatsanleihen. Schon bald nach der Auflage seiner ersten eigenen Staatsanleihe 1804 konnte Rothschild auf dem Markt mit den führenden Frankfurter Bankhäusern Gebr. Bethmann und Rüppell & Harnier konkurrieren. Während der französischen Besatzungszeit verwaltete er das Vermögen des im Exil lebenden Kurfürsten. Auch bewahrte er einige Kisten mit Akten für Wilhelm I. auf – was zu der Legende führte, Rothschild habe den gesamten kurfürstlichen Schatz gerettet.

Rechtliche Gleichstellung gefordert

In den Jahren vor seinem Tod stellte Mayer Amschel Rothschild noch wichtige Weichen für die Zukunft. Durch einen neuen Gesellschaftsvertrag von 1810 gründete er die Firma Mayer Amschel Rothschild & Söhne. Damit nahm er nicht nur seine beiden ältesten Söhne Amschel und Salomon, die bereits seit 1796 seine Partner waren, sondern auch die beiden jüngeren Kalman und Jakob als Teilhaber in das Geschäft auf; Nathan hatte inzwischen (1804) sein eigenes Bankhaus in London gegründet. 1809 hatte Mayer Amschel Rothschild einen Bauplatz im nördlichen, 1796 abgebrannten Teil der Judengasse erworben, auf dem später das neue Frankfurter Bankhaus entstand – außerhalb des Ghettos. Die rechtliche Gleichstellung der Frankfurter Juden war Mayer Amschel Rothschild ein wichtiges Anliegen. Auf seine maßgebliche Initiative hin stellte der damals regierende Großherzog Carl Theodor von Dalberg im Dezember 1811 die Frankfurter Juden den anderen Bürgern gleich. Die dafür geforderte Ablösesumme war schließlich mit Rothschilds Hilfe aufgebracht worden. Am 28. Februar 1812, nur ein paar Monate vor seinem Tod, konnte sich Mayer Amschel Rothschild mit seiner Frau Gutle stolz in das Bürgerbuch der Stadt Frankfurt am Main eintragen.

Sabine Hock

Zum Rothschildjubiläum ist eine neue Biographie von Mayer Amschel Rothschild, verfasst von Fritz Backhaus, dem stellvertretenden Direktor des Jüdischen Museums, erschienen (Herder, 12,99 Euro; ISBN 978-3-451-06232-2).

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 11.09.2012

Seitenanfang