Neue Stadt in einer neuen Zeit
Vor 60 Jahren entstand Frankfurts alte Mitte neu
Es ist eines der großen Stadtumbau-Projekte der Kommune: Frankfurt wird Teile seiner im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt wieder aufbauen. Die „neue Altstadt“ entsteht zum Teil als originale Rekonstruktion. Anders als heute hat sich in den fünfziger Jahren der Magistrat für die Konzeption eines neuen Stadtviertels in der Innenstadt entschieden. Auch damals debattierte man über das Für und Wider. Am 15. Mai 1952 begannen die Bauarbeiten.
Frankfurt am Main (pia) „Wir haben gebaut, gebaut und noch einmal gebaut“, zog Oberbürgermeister Dr. Walter Kolb 1956 die Bilanz aus der Kommunalpolitik des ersten Nachkriegsjahrzehnts. Darin habe er sich „nicht beirren lassen“, weder durch wohlmeinende noch durch bösartige Kritik, wie sie insbesondere beim modern ausgeführten Aufbau der kriegszerstörten Frankfurter Altstadt immer wieder laut geworden war. Unermüdlich verteidigte Kolb die „Frankfurter Lösung“ für den Wiederaufbau der Innenstadt: „Der vergangene Krieg hat gerade im Altstadtgebiet riesige Lücken gerissen, welche aber dem Städtebauer die einmalige Chance einer großzügigen Neukonzeption gegeben haben“, so schrieb er. „Es wäre durchaus verfehlt gewesen, diese einmalige Chance wegen einiger nur zufällig verschont gebliebener Bauwerke aus alter Zeit (...) zu verpassen.“
„Neuzeitliches Mekka“ für Architekten
Tatsächlich wurde Frankfurt dank seiner Wiederaufbaupolitik die Stadt der fünfziger Jahre und damit - wie die „Frankfurter Neue Presse“ bereits 1954 feststellte - das „neuzeitliche Mekka“ für Architekten, Stadtplaner und Sozialpolitiker. Den Grundstein dazu legte Oberbürgermeister Walter Kolb am 15. Mai 1952. An jenem Donnerstagnachmittag versammelten sich unter dem Geläut der Domglocken mehr als 6.000 Frankfurter bei den fahnengeschmückten Baugruben an der Töngesgasse, um mitzuerleben, wie ihr Stadtoberhaupt die ersten drei Hammerschläge auf den Grundstein zum Neuaufbau vornahm: „Der Stadt Frankfurt zum Besten und ihren Bürgern zur Ehre“, wie es in der Grundsteinurkunde heißt. Innerhalb von fünf Jahren, so versprach Kolb seinen Bürgern, sollte die neue Altstadt fertig sein.
Auch damals wurde über den Wiederaufbau gestritten
Bisher hatten sich die Kommunalpolitiker trotz drückender Wohnungsnot eher Zeit gelassen mit ihrer Entscheidung über die Zukunft der bei alliierten Luftangriffen im März 1944 zerstörten Alt- und Innenstadt. Um vorschnelles Handeln zu vermeiden, wurde zunächst eine Bausperre über das gesamte Kerngebiet der Stadt verhängt. Jahrelang erstreckte sich dort, wo einst die größte gotische Altstadt Deutschlands zu bewundern gewesen war, eine riesige Trümmerwüste. 1946/47 genehmigte der Magistrat den Wiederaufbau der Paulskirche und des Goethehauses. Beide Frankfurter Symbolgebäude standen für verschiedene Modelle im Umgang mit der Tradition: Während die Paulskirche unter Verwendung der Überreste in zeitgemäßer Form neu errichtet wurde, wurde das Goethehaus originalgetreu rekonstruiert. Daran entzündete sich der Streit, ob man Frankfurt wieder oder neu aufbauen sollte. Während Altfrankfurter und Lokalhistoriker sich eine originalgetreue Rekonstruktion ihrer untergegangenen Heimatstadt wünschten, sahen Architekten und Kulturkritiker in einem solchen Wiederaufbau eine „Lüge“, die die Tatsache der Kriegszerstörung infolge der Politik des nationalsozialistischen Terrorregimes zu vertuschen versuche. Der Publizist Walter Dirks deutete das neue Goethehaus gar als „eines der ersten Symbole der Restauration“. Auch der Magistrat, trotz seines Einverständnisses mit der Rekonstruktion dieses Hauses, wollte damit kein Exempel statuieren. So betonte Oberbürgermeister Kolb anlässlich der Grundsteinlegung zum Wiederaufbau des Goethehauses am 5. Juli 1947: „Niemand denkt daran, das alte Frankfurt wieder aufzubauen. Eine neue Zeit wird für eine neue Stadt neue Formen zu suchen und zu finden haben!“
Ruhiges Gepräge für das Herz der Stadt
Im März 1950 schrieb das Hochbauamt einen Ideenwettbewerb für den Aufbau des Altstadtkerns zwischen Römer und Dom aus. Gemäß den Wettbewerbsrichtlinien sollte die neue Altstadt das „Herz“ der Innenstadt werden, ein modernes, durch Grünflächen aufgelockertes Viertel mit „Wohnbauten, Läden des kulturellen Sektors (...), gepflegten Gaststätten (...) und auch Werkstätten des hochstehenden Kunsthandwerks“, das sich durch „ein ruhigeres Gepräge“ von der eigentlichen City unterscheiden sollte. Der Autoverkehr würde das Gebiet nur auf den neuen breiten Achsenstraßen in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung (heute Kurt-Schumacher- und Berliner Straße) durchfließen.
Grundsteinlegung am 15. Mai 1952
Ab März 1952 wurde der erste Bauabschnitt zwischen Töngesgasse, Fahrgasse, Schnurgasse und Trierischer Gasse enttrümmert. Mit der Grundsteinlegung am 15. Mai 1952 begannen dann dort die eigentlichen Bauarbeiten. Bald waren sie im gesamten Aufbaugebiet rund um Dom und Römer, zwischen Main und Zeil in vollem Gange. Am 3. Dezember 1952 war Richtfest in der neuen Altstadt, und schon im Frühjahr 1953 wurden die ersten Wohnungen und Läden bezogen.
Sabine Hock
Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 09.05.2012.
(Aktualisierter Nachdruck des Wochendiensts, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 16 vom 07.05.2002.)