Der Fotografie zeitlebens verfallen

Vor 125 Jahren wurde der Frankfurter Leica-Pionier Paul Wolff geboren

Paul Wolff war einer der erfolgreichsten deutschen Fotografen und ein Bahnbrecher des Kleinbildformats. Sein Buch „Meine Erfahrungen mit der Leica“ wurde zum Ratgeber für eine ganze Generation von Fotoamateuren. Nach dem Ersten Weltkrieg führte er in Frankfurt ein Unternehmen für Industrie- und Werbefotografie.

Frankfurt am Main (pia) Sein erster Fotoapparat gehörte eigentlich seinem großen Bruder. Für 15 Mark hatte der Vater die kleine Plattenkamera bei der „Leipziger Lehrmittelanstalt“ bestellt, um sie seinem älteren Sohn zu Weihnachten zu schenken. Weil dieser aber lieber an seinem Fahrrad herumschraubte, begann der 12 Jahre alte Paul, sich für das „merkwürdige Kistchen“ zu interessieren. Der Vater duldete die Spielerei, drohte aber, ihm den Apparat wieder wegzunehmen, wenn er nach einem halben Jahr nichts damit zustande gebracht hätte. „Die Mahnung meines Vaters wäre nicht notwendig gewesen“, schrieb Paul Wolff rückblickend in seiner Autobiografie. „Als ich erst einmal in der stickigen Dunkelkammer (…) den erregenden Augenblick erlebte, wie auf der kleinen, gelblich weißen Glasplatte die ersten grauen Spuren des werdenden Negativs entstanden und die Konturen, die ich mit meinen beiden Augen soeben noch gesehen, in der Entwicklerlösung auftauchten, da war ich der Photographie zeitlebens verfallen.“ Dr. Paul Wolff, der sich 1924 mit einer eigenen Firma in Frankfurt selbständig machte, wurde einer der berühmtesten und bedeutendsten Fotografen seiner Zeit. Als Bahnbrecher für das Kleinbildformat ist er in die Geschichte der Fotografie eingegangen.

Erste Bildbände über die Straßburger und die Frankfurter Altstadt

Vor 125 Jahren, am 19. Februar 1887, wurde Paul Wolff in Mülhausen im Elsass geboren. Ein Medizinstudium in Straßburg und München schloss er 1914 mit der Promotion ab. Noch während des Studiums hatte er seine ersten Bildbände veröffentlicht: „Alt-Straßburg“ (1912/14). Aus dem nach dem Ersten Weltkrieg französischen Elsass, wo er als Deutscher den Arztberuf nicht ausüben durfte, übersiedelte er mit Frau und Kind nach Frankfurt am Main. Wolff fand zunächst Arbeit als Laborant, Filmkopierer und Kinooperateur bei einer Werbefilmfirma, die Dokumentar- und Industriefilme herstellte. Nebenbei veröffentlichte er weitere Fotobücher über „romantische“ Städte wie Dresden und Heidelberg. Bei einem Besuch bei dem Kunsthistoriker Fried Lübbecke, der gerade die Gründung des „Bunds tätiger Altstadtfreunde“ vorbereitete, zog Wolff seine Fotos von „Alt-Straßburg“ aus der Tasche. Lübbecke war beeindruckt von den „Aufnahmen (...), neu und künstlerisch gesehen, wie wir sie für Alt-Frankfurt nicht kannten“. Zusammen mit Lübbecke brachte Wolff daraufhin drei Bildbände „Alt-Frankfurt“ heraus. Auf seinen Fotos zeigte er die Frankfurter Altstadt als eine verwinkelte Idylle ohne jegliche soziale Not oder hässliche Ecken.

„Belichte reichlich, entwickle kurz!“

1924 gründete Paul Wolff eine eigene Bild- und Filmagentur, mit der er sich erfolgreich auf Industriewerbung und Buchillustration spezialisierte. Zwei Jahre später stellte er den Fotografen Alfred Tritschler ein, den er 1927 als Kompagnon in die Firma aufnahm. Um dieselbe Zeit bekam Wolff seine erste Leica, eine von sechs bis dahin produzierten Kleinbildkameras der Firma Leitz in Wetzlar. Noch eine ganze Zeit lang bevorzugte er für seine Arbeit zwar weiterhin die konventionelle Plattenkamera; aber bald begann er, mit der handlicheren Kleinbildkamera zu experimentieren. Durch einen Laborzufall entdeckte Wolff, wie man von den Kleinbildnegativen qualitativ hochwertige, „körnungsfreie“ Vergrößerungen, bis hin zum Plakatformat, anfertigen konnte. „Belichte reichlich, entwickle kurz!“, wurde zu seinem Patentrezept, mit dem er der Kleinbildfotografie zum endgültigen Durchbruch verhalf. Sein erstmals 1934 erschienenes Buch „Meine Erfahrungen mit der Leica“ wurde zum Ratgeber für eine ganze Generation von Fotoamateuren. Nach dem Aufkommen des Farbdiafilms ließ er 1942 den Band „Meine Erfahrungen... farbig“ folgen. Durch solche Publikationen, seine Vorträge und Ausstellungen trug Wolff wesentlich zur Popularisierung der Kleinbildfotografie bei.

Reichlich fließende Aufträge – auch in der NS-Zeit

In den Dreißigerjahren war Paul Wolff einer der erfolgreichsten Fotografen in Deutschland und seine Firma „Dr. Paul Wolff & Tritschler“ das führende deutsche Unternehmen für Industrie- und Werbefotografie. Besonders spektakulär war Wolffs Buch „Im Kraftfeld von Rüsselsheim“, das in Kooperation mit der Werbeabteilung von Opel entstand und als erster Industriebildband in Farbe 1939/40 erschien. Um die reichlich fließenden Aufträge bewältigen zu können, beschäftigten Wolff und Tritschler damals rund 20 Mitarbeiter. Etwa ab 1936 traten auch nationalsozialistische Stellen, darunter das Reichspropagandaministerium, mit Aufträgen an den prominenten Fotografen heran. Wolff, obwohl kein überzeugter Anhänger des NS-Regimes, erwies sich letztlich als „geschäftstüchtiger Opportunist (...), der beruflichen Erfolg über alles“ stellte (Jan Brüning). So fotografierte er 1939 im Auftrag der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) die „Front in der Heimat“ und im Auftrag des Reichministeriums für Bewaffnung und Munition sämtliche deutschen Rüstungsbetriebe, wofür er geradezu fürstliche Honorare erhielt. 1943/44 dokumentierte Wolff „im Führerauftrag“ wertvolle Wand- und Deckengemälde in historischen Gebäuden im Rhein-Main-Gebiet, darunter die Ratgeb-Fresken im Karmeliterkloster, den Bartholomäus-Zyklus im Chor des Doms, die Ausmalung des Palais Thurn und Taxis sowie des Kurfürstenzimmers im Römer, bevor diese Kunstwerke bei den Luftangriffen auf Frankfurt zerstört oder zumindest beschädigt wurden.

Heute ein bedeutendes Bildarchiv

Bei den Märzangriffen 1944 brannte auch das Haus von Paul Wolff in der Miquelallee 5 mit Firma und Archiv nieder. Gerettet wurde lediglich das Kleinbild-Negativarchiv, das in einem Brauereikeller ausgelagert war. Vorübergehend verlegte Wolff den Betrieb nach Braunfels an der Lahn. Bald nach dem Krieg begann er, nun im Auftrag der amerikanischen Besatzungsmacht, wieder deutsche Städte zu fotografieren. Er konnte jedoch nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen und wandte sich mehr und mehr der Naturfotografie zu. Nach längerer Krankheit starb Dr. Paul Wolff am 10. April 1951 in Frankfurt am Main. Die von ihm begründete Firma ist seit 1972 in Offenburg ansässig. Sie gilt heute als eines der bedeutendsten deutschen Bildarchive für die Zeit der Weimarer Republik und des „Dritten Reichs“.

Sabine Hock

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 02.02.2012

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