„Um die gantze Stadt ein Parck“
Vor 150 Jahren starb der Landschaftsgärtner Sebastian Rinz
Seit 1808 hatte er das Amt des Stadtgärtners inne. Sebastian Rinz schuf mit den bis heute erhaltenen Wallanlagen den ersten englischen Landschaftspark in Frankfurt. Der bedeutende Gartenarchitekt, der auch das Frankfurter „Nizza“, die mediterrane Grünanlage am Mainufer, geplant hat, ist vor 150 Jahren, am 8. April 1861, im 80. Lebensjahr in der Mainstadt gestorben.
Frankfurt am Main (pia) „Die alten Wälle sind abgetragen die alten Thore eingerißen um die gantze Stadt ein Parck“, berichtete in eigenwilliger Orthographie Catharina Elisabeth Goethe ihrem Sohn über seine Vaterstadt Frankfurt, „man glaubt es sey Feerrey.“ Die neuen Anlagen, die an der Stelle der niedergelegten Stadtbefestigung entstanden, setzten die Fremden in Erstaunen „über die Schönheit in Franckfurth“, wie Frau Aja ebenfalls in jenem Brief vom 1. Juli 1808 nach Weimar schrieb. Gelungen ist das Zauberwerk der Wallanlagen einem jungen Gärtner aus der Nähe von Aschaffenburg, Sebastian Rinz, der inzwischen zu den bedeutendsten Landschaftsarchitekten seiner Zeit zählt. Mit dem bis heute erhaltenen Anlagenring schuf er den ersten englischen Landschaftspark in Frankfurt, einen grünen Kranz um die Innenstadt, der – so das „Frankfurter Journal“ zum 50. Jahrestag des ersten Spatenstichs 1856 – bald zum „Gegenstand des Neides fast aller europäischen Städte“ wurde.
Neuer „englischer“ Gartenstil
Der spätere Frankfurter Stadtgärtner wurde am 11. Januar 1782 in Haimhausen an der Amper geboren. Dort, nicht weit von München, betreute sein Vater den noch ganz im Rokokostil gehaltenen Park eines gräflichen Schlosses. Im Jahr 1796 wurde Sebastian in die Lehre bei der Kurfürstlichen Hofgärtnerei in Schleißheim geschickt. Nach ersten Gesellenjahren in Würzburg kam der junge Rinz 1801 nach Schönbusch bei Aschaffenburg, wo er unter Hofgärtner Bode mit dem neuen, „englischen“ Gartenstil vertraut wurde.
Grüne Promenaden statt Festungsmauern
Derweil suchte Jakob Guiollett in Frankfurt den richtigen Mann, um eine großartige Idee zu verwirklichen. In der Mainstadt war bereits 1804 begonnen worden, die mittelalterliche Befestigung zu schleifen. Nach der napoleonischen Gründung des Rheinbunds 1806 sollten nun alle Wälle und Bastionen systematisch niedergelegt werden. Guiollett witterte darin ein Prestigeprojekt für seinen Brotherrn Carl Theodor von Dalberg, den soeben ernannten Fürstprimas und späteren Großherzog von Frankfurt, dem er als „Reisekommissar“ vor Ort den Weg ebnen sollte. Um Sympathien der Bürger für den neuen Landesherrn von Napoleons Gnaden zu erwerben, wollte Guiollett das Terrain der gefallenen Befestigung rund um die Stadt in grüne Promenaden verwandeln. Allerdings zeigte sich der damalige Stadtgärtner Georg Fliedner dieser Aufgabe nicht gewachsen: Er konnte zwar Wege rechen und Hecken stutzen, hatte aber keinerlei gartenarchitektonisches Talent. In seiner Not wandte sich Guiollett nach Aschaffenburg, Dalbergs zweiter Residenz, wo ihm der Hofgärtner Bode sofort seinen Assistenten Rinz empfahl.
Landschaftsgestalterisches und organisatorisches Geschick
Im Herbst 1806 schuf Sebastian Rinz innerhalb weniger Monate das erste Teilstück des Anlagenrings zwischen Eschenheimer und Bockenheimer Tor. Dabei bewies der 24 Jahre alte Gärtner nicht nur landschaftsgestalterisches, sondern auch organisatorisches Geschick. Denn angesichts begrenzter finanzieller Mittel musste er sich etwas einfallen lassen, um an die benötigten Pflanzen zu kommen. Er warb erfolgreich um Spenden aus Privatgärten, holte Bäume und Sträucher aus dem Stadtwald und dem Taunus. Aus Schönbusch orderte er günstig eine ganze Schiffsladung von Akazien. Nach Fertigstellung der Bockenheimer Anlage zum Jahresende 1806 kehrte Rinz zunächst nach Schönbusch zurück. Nachdem der alte Stadtgärtner die neue Anlage jedoch in kürzester Zeit verwildern ließ, wurde Rinz schon 1807 wieder nach Frankfurt berufen. Bis 1812 vollendete er in einzelnen Etappen den gesamten Anlagenring, dessen Finanzierung nun Dalberg aus seiner Privatschatulle gesichert hatte.
Entwurf für das „Nizza“ am Mainufer
Jahrzehntelang widmete sich Rinz, bereits seit 1808 im Amt des Stadtgärtners, der Pflege „seiner“ Wallanlagen und der Schöpfung weiterer Parks für die Mainstadt. Insbesondere gestaltete er den ersten Teil des 1828 eröffneten Hauptfriedhofs. Als Frankfurter Bürger (seit 1811) betrieb er außerdem eine Blumen- und Samenhandlung in der Nähe des Doms und später, zusammen mit seinen Söhnen, eine Gärtnerei im Westend. Für private Auftraggeber schuf Rinz zahlreiche Gartenanlagen in und um Frankfurt, u. a. für Carl Mayer von Rothschild den Günthersburgpark in Bornheim und für Georg von Saint-George den Park St. Georgen vor Oberrad. Das von ihm entworfene „Nizza“ am Mainufer konnte Rinz selbst nicht mehr vollenden. Es wurde von seinem Enkel und Nachfolger Andreas Weber gestaltet. Vor 150 Jahren, am 8. April 1861, starb Sebastian Rinz im 80. Lebensjahr in Frankurt. Er wurde auf dem Hauptfriedhof begraben, unter einer Libanonzeder, die er selbst einst gepflanzt hatte.
Sabine Hock
Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 31.03.2011