Haute Cuisine in Dosen
Vor 125 Jahren wurde der Feinkostunternehmer Eugen Lacroix geboren
Die „Echte Schildkrötensuppe“ machte den Feinkostbetrieb in der Welt bekannt. Über Jahrzehnte hinweg war Lacroix im Frankfurter Stadtteil Niederrad zuhause. Nachdem Gründer Eugen Lacroix am 3. September 1964 in Frankfurt verstarb, wurde das Unternehmen zunächst von der Familie weitergeführt; heute gehört es zur Campbell Soup Company.
Frankfurt am Main (pia) Die Zeichen der Zeit standen nicht gut in jenen Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg. Dennoch wagte Eugen Lacroix 1921 einen Neuanfang. In einer leerstehenden Metzgerei im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen begann der 35 Jahre alte Koch, getrüffelte Gänseleberpasteten herzustellen. Immerhin hatte er die Kunst des Pastetenmachens bei seinem Lehrmeister Louis Nassoy, dem ehemaligen Hofkoch Napoleons III., in Lahr gelernt und später in Straßburg verfeinert. Unerschütterlich glaubte Lacroix, dass Qualität sich immer durchsetze. Der Erfolg gab ihm Recht. Während er anfangs seine Pasteten in einem geflochtenen Weidenkörbchen von Hotel zu Hotel durch Frankfurt trug, um sie zum Kauf anzubieten, lieferte die „Gänseleber-Pasteten- und Conservenfabrik Eugen Lacroix“ schon wenige Jahre später ihre erlesenen Feinkostprodukte in aller Herren Länder aus. Vor allem die konservierte „Echte Schildkrötensuppe“ begründete den Weltruf des Unternehmens.
Wanderjahre in Deutschland und Frankreich
Vor 125 Jahren, am 26. Januar 1886, wurde Eugen Lacroix im badischen Altdorf bei Ettenheim geboren. Aufgewachsen in einem ländlichen Gasthaus, das die Mutter nach dem frühen Tod des Vaters übernommen hatte, fasste Eugen früh den Entschluss, einmal Koch zu werden. Nach seiner Lehre bei dem berühmten Küchenmeister Louis Nassoy im Hotel „Sonne“ in Lahr bildete er sich auf seinen Wanderjahren in zahlreichen führenden Häusern in Deutschland und im Elsass fort. Dabei kam der junge Koch um 1903 auch erstmals nach Frankfurt, wo er in der „Stadtküche Buerose“ und im „Europahof“, damals erste Adressen in der Mainstadt, arbeitete. In der Kombüse auf den Schiffen des Norddeutschen Lloyd kam er bis nach Nord- und Mittelamerika, und im Speisewagen der „Compagnie Internationale des Wagon Lits“ fuhr er kochend durch Europa. 1908 ließ sich Lacroix in Straßburg nieder, wo seine Mutter inzwischen ein bürgerliches Weinrestaurant am Ferkelmarkt in der Nähe des Münsters führte. In dessen Diensten „erkochte“ er sich bereits 1910 seine erste Goldmedaille. Auch lernte er in Straßburg Albert Schweitzer und Theodor Heuss kennen, die noch später in Frankfurt zu seinen treuesten Kunden zählten. Bei Kriegsende 1918 wurde Lacroix als Deutscher aus Straßburg ausgewiesen. Er kam über Heidelberg und Mannheim 1920 wieder nach Frankfurt, wo er sich eine neue Existenz aufbaute.
Tiefgefrorene Suppenschildkröten trafen in Massen ein
Mit seiner 1921 in Frankfurt gegründeten Feinkostfirma wollte Eugen Lacroix mehr als „nur“ seine bald berühmten Pasteten herstellen. Seine Grundidee war, besondere Spezialitäten, aber auch Suppen, Saucen und Fonds, deren Zubereitung mit großem Aufwand verbunden war, fix und fertig vorzukochen und möglichst ohne Geschmackverlust zu konservieren, um so die Arbeit der Köche in der guten Restaurationsküche wie im gehobenen Privathaushalt zu erleichtern. 1923 verlegte er sein expandierendes Unternehmen nach Niederrad, wo die Firma Lacroix seitdem jahrzehntelang ansässig war. Staunend sahen die Niederräder, wenn sich vor der Laderampe auf dem Hof des neuen, 1957 eingeweihten Werks in der Frauenhofstraße die tiefgefrorenen Suppenschildkröten in Massen aneinanderreihten, damit der Chef höchstpersönlich die Qualität der soeben eingetroffenen Ware prüfen konnte.
Vom Linsentopf bis zur Schwalbennestersuppe
Mit der „Echten Schildkrötensuppe“ war die Frankfurter „Conservenfabrik Eugen Lacroix KG“ in der Welt bekannt und zumindest in Deutschland marktführend. Darüber hinaus reichte das Suppensortiment des europaweit bedeutenden Feinkostherstellers vom gutbürgerlichen „Linsentopf“ bis zur exotischen „Schwalbennestersuppe“. 1961, im Jahr des 75. Geburtstags von Firmengründer Eugen Lacroix, umfasste die Produktpalette über 120 Spezialitäten: Pasteten, Galantinen, Suppen, Saucen, Fertiggerichte und Beilagen, aber auch „Hilfsmittel für die gepflegte Tafel“, wozu etwa die goldgeränderten Tässchen für die Schildkrötensuppe und die von Lacroix selbst entworfenen Schneckenpfännchen gehört haben dürften.
Verzicht auf umstrittene Premiumprodukte
Am 3. September 1964 starb Eugen Lacroix in Frankfurt. Zunächst führten seine Witwe Rosel und insbesondere sein Sohn Eugen René Lacroix das renommierte Frankfurter Feinkostunternehmen weiter. 1972 verkaufte die Familie die Firma an den amerikanischen Konzern ITT, der diese sieben Jahre später an die Campbell Soup Company, den weltweit größten Suppenhersteller, weiterveräußerte. Gerade die einstigen Premiumprodukte von Lacroix waren inzwischen problematisch geworden. Angesichts des drohenden Aussterbens der Seeschildkröten war der Genuss von „Echter Schildkrötensuppe“ schon in den Siebzigerjahren heftig umstritten, obwohl die Firma Lacroix immer wieder beteuerte, ihre Suppenschildkröten ausschließlich von einer Farm und nicht „aus der Wildnis“ zu beziehen. Im Interesse des Artenschutzes ging Lacroix 1984 mit gutem Beispiel voran und gab die Herstellung von Schildkrötensuppe auf. Auch ein anderes Traditionsprodukt von Lacroix, die Gänseleberpastete, geriet in die Diskussion, weil Tierschützer das tierquälerische Verfahren des Gänsestopfens anprangerten. Die Produktion frischer Pasteten wurde bei Lacroix in Frankfurt 1993 eingestellt. Nur drei Jahre später wurde das alte Niederräder Werk ganz geschlossen. Seitdem kommen die Suppendosen, die noch immer der alte Namenszug „Lacroix“ wie ein goldgeschwungenes Krönchen ziert, nicht mehr aus Frankfurt.
Sabine Hock
Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 20.01.2011