Das historische Frankfurt

Anlässlich des Internationalen Deutschen Turnfests 2009 unterwegs vom Dom über den Römerberg zur Paulskirche

Der Domturm war Spitze

Schon von ferne begrüßt heute die Mainmetropole mit ihrer europaweit einzigartigen Skyline die Besucher. Als im Juli 1880 die Turner zum V. Deutschen Turnfest erstmals nach Frankfurt kamen, prägte noch der 95 Meter hohe Domturm unangefochten das Panorama. Bis 1961 war der „Pfarrturm“, errichtet ab 1415 von Dombaumeister Madern Gerthener, das höchste Gebäude der Stadt. Der dazu gehörige Dom ist eigentlich gar keiner, weil hier kein Bischof residiert, und heißt offiziell „Stiftskirche St. Bartholomäus“. Aber schon seit dem Mittelalter wird er „Dom“ genannt. Immerhin wurden in dem gotischen Gotteshaus jahrhundertelang die deutschen Könige und Kaiser gewählt und gekrönt. Durch die Goldene Bulle von 1356 war die alte Reichsstadt Frankfurt endgültig zum Wahlort für die deutschen Könige bestimmt worden, und seit 1562 wurden die frisch gekürten Herrscher hier auch gekrönt. Nach dem feierlichen Zeremoniell der Krönungsmesse, das über vier Stunden dauerte, zog der neue Kaiser im vollen Ornat mit Reichskrone und Szepter durch die schaulustige Menge vom Dom zum Römer. Dazu läuteten sämtliche Kirchenglocken. In dieser Tradition erklingt das Große Stadtgeläut, ein Glockenkonzert aller Innenstadtkirchen, bis heute immer zu hohen Feiertagen – auch am Vorabend zu Pfingsten, so dass es am Samstag, den 30. Mai 2009, gerade zur Eröffnung des Internationalen Deutschen Turnfests wieder einmal erschallen wird.

Spektakel auf dem Römerberg

Der anschließende bunte Turnerfestzug rund um den Dom mag an das Spektakel erinnern, das einst bei Kaiserkrönungen auf dem Römerberg herrschte. Während Kaiser und Kurfürsten das Krönungsmahl im Kaisersaal des Rathauses Römer genossen, feierte das Volk draußen auf dem Platz bei der Ausübung der Erzämter. Da brutzelte der mit Würstchen gefüllte Ochs am Spieß und floss der Wein aus dem Gerechtigkeitsbrunnen, und wer Glück hatte, konnte eine der in die Menge geworfenen Krönungsmünzen erhaschen. Die ersten Stücke vom Ochsenbraten gebührten allerdings den hohen Herren an der kaiserlichen Tafel, bevor sich die Frankfurter um die Reste reißen durften. Wenn sich dann der Kaiser vom Saal aus seinen Untertanen auf dem Römerberg zeigen wollte, musste er wohl aus dem Fenster schauen. Denn den – heute durch König Fußball so berühmten – „Erscheinungsbalkon“ gab es damals noch nicht. Dieser wurde erst um 1900, im Zuge der neogotischen Umgestaltung der Römerfassade, angebaut. Aber schon lange bevor das Fernsehen erfunden wurde, gingen Bilder des Römers um die Welt. Durch die Krönungsdiarien, die zur Erinnerung an die Feierlichkeiten zur Krönung eines jeden Kaisers veröffentlicht wurden, waren Ansichten des Frankfurter Rathauses mit seiner charakteristischen „Dreigiebelfront“ weit bekannt.

(K)ein Platz für Kaiser

Im Römer, der namentlich auf ein seit 1405 als Rathaus genutztes Patrizierhaus zurückgeht, inzwischen aber einen größeren Gebäudekomplex umfasst, ist der Kaisersaal bis heute zu besichtigen. Der früher äußerst prunkvolle Festsaal, der nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs vereinfacht wiederaufgebaut wurde, ist seit 1853 mit den 52 überlebensgroßen Bildnissen aller deutschen Kaiser geschmückt. Ursprünglich waren ab 1711 die Büsten der Herrscher in den Saalnischen aufgestellt, und es wurde erzählt, wenn die letzte Nische besetzt sein würde, dann würde es auch keinen Kaiser mehr geben. Tatsächlich brachte die napoleonische Ära 1806 das Ende des alten Reiches. Frankfurt verlor seinen Status als Reichsstadt, wurde in das neu gebildete „Großherzogtum Frankfurt“ eingegliedert und musste sich damit erstmals in seiner Geschichte einem Landesfürsten beugen. Erst nach dem Wiener Kongress 1815 erhielt die Stadt ihre Unabhängigkeit wieder. Als Freie Stadt im Deutschen Bund, einem losen Zusammenschluss der deutschen Einzelstaaten, war sie künftig zudem Sitz des Bundestags. Diese oberste Bundesbehörde tagte ab 1816 im früheren Palais Thurn und Taxis, an dessen Stelle derzeit das Großbauprojekt „PalaisQuartier“ an der Zeil entsteht.

Vom Römer zur Paulskirche

In der Revolution von 1848 besannen sich die Streiter für Deutschlands Einheit in Freiheit auf Frankfurts reichsstädtische Tradition. In der ehemaligen Wahl- und Krönungsstadt versammelte sich am 31. März 1848 ein „Vorparlament“, das bereits wenige Tage später die Wahlen zu einer konstituierenden Deutschen Nationalversammlung beschloss. Das Vorparlament sollte eigentlich vor historischer Kulisse im Kaisersaal tagen, der sich aber als zu klein für die 574 angereisten Politiker erwies. Es siedelte daher in die nahe liegende Paulskirche über, die mit rund 2.000 Plätzen damals der größte Versammlungsraum in der Stadt war und sich somit auch als Tagungsort für die Nationalversammlung anbot. Am 18. Mai 1848 zogen die Abgeordneten des ersten freigewählten deutschen Parlaments feierlich in die Paulskirche ein. Innerhalb von einem Jahr erfüllten sie ihren Auftrag, die Verfassung für einen deutschen Nationalstaat zu schaffen. Deren Durchsetzung scheiterte jedoch an den alten Mächten, die in der Gegenrevolution bereits ab Herbst 1848 wieder erstarkt waren.

Sternlauf zum „Haus aller Deutschen“

Knapp hundert Jahre später, bei den schweren Bombenangriffen auf die Altstadt im März 1944, wurde die Paulskirche fast völlig zerstört. Mit deren Wiederaufbau wollte Frankfurts legendärer Nachkriegs-Oberbürgermeister Walter Kolb ein Zeichen für den demokratischen Neubeginn in Deutschland nach 1945 setzen. Dank seinem unermüdlichen Engagement entstand in nur 14-monatiger Bauzeit die neue Paulskirche als eine nationale Gedenk- und Tagungsstätte, als „das Haus aller Deutschen“ (Walter Kolb). Zur Einweihung anlässlich der Hundertjahrfeier der Deutschen Nationalversammlung am 18. Mai 1948 trafen auch Staffelläufer aus den Westzonen und Berlin im Plenarsaal ein. Auf ihrem „Sternlauf zur Paulskirche“ hatten sie überall Grußbotschaften der Städte und Länder gesammelt, die sie nun feierlich an Oberbürgermeister Kolb übergaben. Dank dem sportbegeisterten Stadtoberhaupt konnte wenige Monate später auch das erste Deutsche Turnfest der Nachkriegszeit in Frankfurt stattfinden. An Pfingsten 2009 kommen die Turner mit ihrem Fest nun schon zum fünften Mal (nach 1880, 1908, 1948 und 1983) in die Mainstadt. Den Auftakt zum Internationalen Deutschen Turnfest 2009 bildet am 30. Mai der inzwischen schon obligatorische Festakt in der Paulskirche, bevor dann bis zum 5. Juni die Festteilnehmer nach dem alten Motto wieder frisch, fromm, fröhlich, frei in Frankfurt turnen werden.

Sabine Hock

Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Mai 2009

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