Was vor rund 150 Jahren als funktional galt

Frankfurt war nie eine Industriestadt. Für größere Produktionsstätten bot die traditionsreiche Handelsmetropole keinen Platz. Erst mit der Elektrifizierung der Arbeits- und Lebenswelt rückten die Fabriken der Stadt näher. Für ihren Standort war eine gute Verkehrsanbindung wichtig. So errichtete der Kaufmann Philipp Peter Heinz, der ursprünglich eine Handlung für Weine und Speiseöle in der engen Altstadt betrieben hatte, 1880/81 eine neue Fabrik für Motorenöle an der erst wenige Jahre zuvor eingeweihten Bahnlinie in der Nähe des Südbahnhofs in Sachsenhausen. Die Anlage erfüllt die damaligen Anforderungen, wonach Industriearchitektur vor allem funktional sein und nur gefällig wirken sollte, aber keine Baukunst sein musste. Erst in der Folgezeit bildete sich allmählich eine spezifische Ästhetik für Industriebauten aus.

Ölfabrik in Sachsenhausen
Ölfabrik aus dem 19. Jahrhundert in Frankfurt, Foto: Wolfgang Faust

Die zeittypische Fabrikanlage besteht aus mehreren Gebäuden, die in ihrer klaren Anordnung den Produktions- und Arbeitsprozessen entsprechen sollten. Das Entree bildet ein repräsentatives Büro und Wohnhaus an der Straßenfront. Daran vorbei führt eine lange Einfahrt zum Fabrikhof mit dem zweigeschossigen Hauptgebäude, der ehemaligen Produktionsstätte. Der Klinkerbau, dessen Fassade historisierende Elemente aus Romanik und Renaissance schmücken, wird durch einen Mittelrisaliten, einen erhöhten vorspringenden Gebäudeteil, gegliedert. Dahinter tritt der obligatorische Fabrikschlot zurück. Eher dörflichen Charakter hat die Remise rechts vom Hauptgebäude, die teilweise in Fachwerk errichtet ist.

Die alte Ölfabrik hat ihren eigenen Charme. Bald nach der Einstellung des Betriebs in den Siebzigerjahren wurde daher das Anwesen gastronomisch genutzt. Im Jahr 2004 brachte die letzte Eigentümerin aus der Familie Heinz die Liegenschaft in eine Stiftung ein. Dadurch wurde „Die Fabrik“ zudem zur Heimat für kulturelle und soziale Projekte.

Sabine Hock

Frankfurter Rundschau, Immobilienbeilage, Kolumne „Baustile in Hessen“ vom 20.03.2010

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