Jugendstil: Monument und Ornament

Frankfurt ist keine Jugendstilstadt. Diesen Ruf überließ es Darmstadt, wo unter Großherzog Ernst Ludwig jenes Stil- und Lebensgefühl an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert blühte. Erst recht spät entstanden in Frankfurt einige Jugendstilbauten, wie das legendäre Schumanntheater am Bahnhofsplatz, ein monumentales Zirkus- und Theatergebäude nach dem Entwurf der Berliner Architekten Friedrich Kristeller und Hugo Sonnenthal. Infolge von Kriegsschäden wurde es 1961 abgerissen.

Seine Eröffnung 1905 ermutigte jedoch andere Frankfurter Bauherren zu dem neuen Stil, etwa in der damals erstehenden Neckarstraße im Bahnhofsviertel. Das Haus mit der Nummer 13 ließen sich der jüdische Kaufmann Emil Ettlinger und seine Frau Mathilde 1906/07 errichten. Sie beauftragten die Firma Schaffner & Albert, die den Bau des Schumanntheaters ausgeführt und sich ein Jugendstildomizil in der Neckarstraße 9 geschaffen hatte. Die Ettlingers besaßen aber auch ganz persönliche Beziehungen zu dem neuen Kunststil: Ihr Sohn „Karlchen“ war seinerzeit Redakteur bei der Münchner Wochenschrift „Jugend“ – die wiederum dem Jugendstil den Namen gegeben hatte.

Geschäftshaus Ettlinger
Geschäftshaus Ettlinger, Neckarstraße, Foto: Wolfgang Faust

Die helle Sandsteinfassade der Neckarstraße 13 präsentiert sich trotz der neobarocken Dachgestaltung ganz im Jugendstilschmuck. Typisch sind die Ornamente in der Balkonbrüstung und über dem Eingangsportal, dessen geschweiftes Vordach zwei Putten mit Füllhörnern flankieren. Die Steinkonsolen unter dem Balkon sind in der Form von Widder- und Büffelköpfen ausgebildet, was auf den Verwendungszweck des Gebäudes anspielen dürfte. Die Familie Ettlinger war nämlich in der Textil- und Wollbranche tätig. Infolge von „Arisierungsmaßnahmen“ musste sie Haus und Firma um 1939 abgeben. Im Zeichen des Bienenkorbs über dem Portal arbeiten heute Angestellte der Commerzbank.

Sabine Hock

Frankfurter Rundschau, Immobilienbeilage, Kolumne „Baustile in Hessen“ vom 28.11.2009

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