Renaissance: Fachwerk mit eigener Tradition

Einst besaß Frankfurt die größte mittelalterliche Altstadt in Deutschland. Das Gassengewirr in ihrem Kerngebiet um Dom und Römer dürfte sich seit dem 12. Jahrhundert kaum verändert haben. Doch die meisten Häuser stammten erst aus der Phase des Umbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit; sie wurden anstelle früherer Bauten errichtet. Stilistisch hielt man sich dabei an das gotische und frühneuzeitliche Fachwerk.

Auch das Haus Wertheim, das direkt am Fahrtor zwischen Römerberg und Main liegt, ersetzte um 1600 ein älteres Gebäude. Der vermeintlich mittelalterliche Fachwerkbau zeigt also eigentlich den Stil der Renaissance.

Haus Wertheim
Haus Wertheim (um 1600), Foto: Wolfgang Faust

Das Haus basiert auf einem sandsteinernen Erdgeschoss mit sieben Rundbogenarkaden nach Osten und zwei nach Norden, die ursprünglich einen offenen Handelsraum umschlossen. Die Obergeschosse präsentieren sich wie ein Musterbuch der damals üblichen Schmuckformen des Fachwerks in Frankfurt. Die Verstrebungen, deren Formen als „halbe und ganze Männer“ bezeichnet werden, gleichen einem wiederkehrenden großen „W“ – wie „Wertheim“.

Das Haus überstand als einziges der rund 1 200 Altstadthäuser den Zweiten Weltkrieg. Bei dem schweren Luftangriff vom 22. März 1944, bei dem die Altstadt endgültig zerstört wurde, versuchte die Feuerwehr, den Durchgang vom Römerberg zum Flussufer für die flüchtenden Menschenmassen freizuhalten, und durchtränkte dabei das dort gelegene Gebäude derart mit Löschwasser, dass es nicht niederbrennen konnte. Heute haben ein gutbürgerliches Gasthaus und eine traditionsreiche Konditorei in dem Haus ihren Sitz.

Sabine Hock

Frankfurter Rundschau, Immobilienbeilage, Kolumne „Baustile in Hessen“ vom 14.11.2009

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