Mit ihm sprang Frankfurt in die Moderne

Vor 100 Jahren ist Leopold Sonnemann gestorben

Er begründete eine Tageszeitung von Weltruf, die bis zu ihrem Verbot durch Hitler 1943 deutsche Pressegeschichte geschrieben hat: die Frankfurter Zeitung. Aber Leopold Sonnemann war nicht nur Zeitungsmacher. Ohne ihn und sein Engagement für die Stadt sähe Frankfurt heute anders aus. Vor hundert Jahren, am 30. Oktober 1909, ist er in Frankfurt gestorben.

Frankfurt am Main (pia) Zur Zeitung kam Leopold Sonnemann eher zufällig. Die Idee, ein eigenes Blatt zu gründen, wurde an den damals 24 Jahre alten Bankier von seinem kaum älteren Berufskollegen Heinrich Bernhard Rosenthal herangetragen. Dieser schickte seinen Kunden schon seit einiger Zeit regelmäßig einen Brief mit Börsen- und Handelsnachrichten, den er nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. So brachten Sonnemann und Rosenthal am 21. Juli 1856 erstmals den „Frankfurter Geschäftsbericht“ heraus. Aus dem vierseitigen Blättchen entwickelte sich im Laufe eines Jahrzehnts die „Frankfurter Zeitung“ (FZ), eine überregionale Tageszeitung von Weltruf, die bis zu ihrem Verbot durch Hitler 1943 deutsche Pressegeschichte geschrieben hat.

Mentor für Frankfurts Entwicklung zur modernen Großstadt

Als Leopold Sonnemann vor 100 Jahren starb, hatte er jedoch nicht nur das Gesicht der von ihm gegründeten und verlegten Zeitung geprägt. Auch seine Wahlheimatstadt Frankfurt sähe ohne ihn anders aus. So engagierte er sich für den Bau des Palmengartens und des Opernhauses, des Hauptbahnhofs und des Osthafens, des Eisernen Stegs und der Festhalle. Er holte die Internationale Elektrotechnische Ausstellung nach Frankfurt, die mit dem geglückten Experiment der Fernübertragung elektrischen Stroms von Lauffen nach Frankfurt 1891 den Startschuss zur Elektrifizierung der Welt gab. Als Stifter und Mäzen gründete er den Städel'schen Museumsverein, und bis heute bereichern seine Schenkungen die Bestände der Frankfurter Museen und Bibliotheken. Kurzum: Leopold Sonnemann kann als der eigentliche Mentor für Frankfurts Entwicklung zur modernen Großstadt gelten, die er immer auf demokratischer Basis in der Tradition des Paulskirchenparlaments von 1848 verwirklicht sehen wollte. Wie Sonnemann Frankfurt auf den Sprung in die Moderne half, zeigt jetzt eine Ausstellung im Historischen Museum, die zu seinem 100. Todestag eröffnet wird.

Vom Tuchhandel zum Bankgeschäft

Am 29. Oktober 1831 wurde Leopold Sonnemann als Sohn fränkischer Dorfjuden in Höchberg bei Würzburg geboren. Infolge von antisemitischen Ausschreitungen in dem kleinen Ort 1840 kam die Familie nach Frankfurt, wo der Vater Meyer Sonnemann eine Tuchhandlung betrieb. Nach dem frühen Tod beider Eltern übernahm Leopold Sonnemann 1853 die Firma, die er bald in ein reines Bankgeschäft umwandelte. Bereits 1869 hatte er ein so beachtliches Vermögen erworben, dass er die aktive Bankierstätigkeit aufgab. Ohne wirtschaftliche Sorgen konnte er sich fortan ganz seiner publizistischen und politischen Tätigkeit widmen.

Von der reinen Wirtschafts- zur politischen Tageszeitung

Der „Geschäftsbericht“, den Sonnemann und Rosenthal 1856 gegründet hatten, kam so gut an, dass die beiden ihn bereits nach einmonatigem Erscheinen zur „Frankfurter Handelszeitung“ erhoben. Im Oktober 1858 erschien dann der erste politische Kommentar in dem Blatt, und mit der Umbenennung zur „Neuen Frankfurter Zeitung“ am 1. September 1859 wurde endgültig der Wandel von der reinen Wirtschafts- zur politischen Tageszeitung vollzogen. Sonnemann focht darin vehement für Deutschlands Einigung - nicht unter Preußens Führung, sondern auf der Grundlage freier Wahlen. Nach Frankfurts Okkupation durch Preußen 1866 wurden daher auch die Redaktionsräume militärisch besetzt. Schon wenige Tage zuvor war Sonnemann nach Stuttgart geflohen, um dort das Blatt als „Neue Deutsche Zeitung“ weiter erscheinen zu lassen. Mit der Rückkehr nach Frankfurt gab er dem Blatt nochmals einen neuen Titel, unter dem es ab 16. November 1866 herauskam: „Frankfurter Zeitung“. Als Alleineigentümer richtete er die FZ radikal demokratisch aus, in ihrer politischen Grundhaltung wie in ihrer redaktionellen Organisation - so gab es traditionell keinen Chefredakteur.

Ausbau zu einem internationalen Nachrichtenblatt

Der Einsatz der FZ als Kampfblatt für die Demokratie hatte allerdings seinen Preis. Im neu gegründeten Deutschen Reich ab 1871 hagelte es unter Bismarck Strafantrag auf Strafantrag gegen die Zeitung und ihre Redakteure. In den wenigen Jahren bis 1879 wurden Mitarbeiter des Blattes insgesamt zu rund 40 Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Auch Sonnemann selbst blieb nicht verschont und musste im Stadtgefängnis im Klapperfeld einsitzen. Nicht zuletzt die weitreichenden Verbote der FZ wirkten sich geschäftlich fatal aus. Um die Zeitung zu erhalten, setzte Sonnemann daher ab 1879 verstärkt auf deren Ausbau zu einem internationalen Nachrichtenblatt. Als dessen wichtigste Qualitätsmerkmale sah er Schnelligkeit und Zuverlässigkeit in der Berichterstattung oder - in Sonnemanns Worten - die „Gewissenhaftigkeit der Thatsachen-Prüfung“. Damit gab Sonnemann letztlich Maßstäbe vor, die bis heute für die gesamte Presse gültig sind.

Hitler macht dem international angesehenen Blatt ein Ende

Bald nach der Feier seines 70. Geburtstags 1901 zog sich Sonnemann infolge der „Gebrechlichkeit des Alters" allmählich aus dem Zeitungsbetrieb zurück. Am 30. Oktober 1909, einen Tag nach seinem 78. Geburtstag, starb er. „In Betreff meiner Zeitungsunternehmungen“, so hatte er in seinem Testament verfügt, „habe ich den Wunsch, daß dieselben in dem gleichen Geiste, in welchem sie von mir die lange Reihe von Jahren geführt worden sind, weitergeführt werden. Politisch freiheitlich, in sozialpolitischer Hinsicht jederzeit gerecht und reformfreundlich, immer zur Unterstützung der wirtschaftlich Schwachen geneigt.“ Seine Nachfolger, insbesondere sein Enkel Heinrich Simon, erfüllten ihm den letzten Willen. Wegen ihres internationalen Ansehens wurde die FZ auch nach 1933 lange nicht verboten, obwohl sie den nationalsozialistischen Machthabern missliebig war. Auf Befehl Hitlers wurde das Blatt schließlich doch eingestellt. Am 31. August 1943 erschien die Frankfurter Zeitung zum letzten Mal.

Sabine Hock

Die in Kooperation mit dem Jüdischen Museum entstandene Ausstellung „Frankfurts demokratische Moderne und Leopold Sonnemann. Jude – Verleger – Politiker – Mäzen“ ist vom 29. Oktober bis 28. Februar im Historischen Museum in Frankfurt, Saalgasse 19, zu sehen. Zu der Ausstellung erscheint im Societäts-Verlag ein Begleitbuch (336 Seiten mit über 300 farbigen Abbildungen) zum Preis von 24,80 Euro.

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 13.10.2009

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