Kleeblatt lehrte die Schwimmkunst

Vor 200 Jahren wurde das erste Schwimmbad am Main eröffnet

- Langfassung -

Im Juni 1809 eröffnete der gebürtige Hallore Johann Friedrich Kleeblatt (1770-1833) die damals erste und einzige Schwimmschule in Frankfurt. Neben dem Schwimmen gehörte seine Leidenschaft der Pyrotechnik, weshalb er auch gerne Proben seiner Feuerwerkskunst in der Schwimmanstalt gab. 1921 ging das Bad im 1898 gegründeten „Mosler“ auf – einst Frankfurts größter Flussbadelandschaft mit mediterranem Flair.

Ob der Sommer schön war oder schlecht: Es gehörte einfach zum guten Ton, „bei Kleeblatt“ abonniert zu sein. Mit seiner Schwimmanstalt am Main hatte sich Friedrich Kleeblatt schnell in Frankfurt etabliert: „Über den Nutzen der Schwimmkunst selbst noch etwas anzuführen“, so konnte er nach nur sechsjährigem Betrieb in einem Schreiben an den „hochpreislichen Senat“ 1815 zufrieden feststellen, „wäre überflüßig, da er bereits allgemein anerkannt ist.“ Auch der Architekt Philipp Jakob Hoffmann musste davon gehört haben. Sein Sohn Heinrich erinnert sich: „Ich war seit der Geburt ein schwächliches, zu allerlei Unpäßlichkeiten neigendes Kind (...). Erst mit meinem 9. Lebensjahre änderte sich meine Konstitution, als mein Vater mich in die damals einzige Schwimmschule am Main, zum alten Kleeblatt, sandte (...). Ich kräftigte mich und wurde zwar kein muskelkräftiger Mensch, aber doch ein recht widerstandsfähiger Gesell; zweimal nur im Leben ward ich krank, und auch jetzt noch, trotz mannigfacher Altersbegleitung, kann ich zufrieden sein und werde sogar vielfach deshalb gepriesen und selbst beneidet.“ Aus dem kränklichen Kind war der Arzt Dr. Heinrich Hoffmann geworden, der Verfasser des „Struwwelpeter“, dessen 200. Geburtstag die Stadt Frankfurt in diesem Sommer feiert.

Bei Kleeblatt wurde nicht geplanscht

Vor 200 Jahren, im Juni 1809 (und damit genau im selben Monat, in dem Heinrich Hoffmann geboren wurde), eröffnete Friedrich Kleeblatt die damals erste und einzige Schwimmschule in Frankfurt. Zwar hatte es hier seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bereits einige Flussbadeanstalten, meist in geschlossenen Badeschiffen, gegeben. Aber erst in der „Kleeblatt’schen Schwimm- und Badeanstalt“ auf der Maininsel am später zugeschütteten Kleinen Main, an der Stelle des heutigen „Nizza“, wurde nicht nur geplanscht. Bei Kleeblatt wurde die „Schwimmkunst“ gelehrt und gepflegt – und das im Freien. „Sicherheit, Anständigkeit und Sittlichkeit sind bei allen Lernenden vorherrschend“, wurde werbewirksam bedeutend betont.

Ein abenteuerlicher Gesell

Dabei muss Schwimmlehrer Kleeblatt selbst in seiner Jugend ein abenteuerlicher Gesell gewesen sein. Er hatte keinen rechten Brotberuf erlernt und nach eigenen Angaben seinen Lebensunterhalt damit verdient, dass er Pferde zuritt. Es hieß auch, dass er als Seiltänzer gearbeitet habe, bis er sich nach einem Beinbruch einen neuen Erwerb suchen musste. Aus München war er nach Frankfurt gekommen, um hier seine Schwimmkünste vorzuführen, und hatte daraufhin die Genehmigung zur Errichtung einer Schwimmschule am Main erhalten. Darin sah der 39-Jährige offenbar die Chance, in Frankfurt dauerhaft sesshaft zu werden und eine bürgerliche Existenz zu begründen. Dem öffentlichen Wohl diente er künftig, indem er auch Waisenkinder, arme Bürgersöhne und Soldaten, weitgehend unentgeltlich, im Schwimmen unterrichtete. Bald hatte Kleeblatt bewiesen, dass er sich „hinlänglich zu nähren vermöchte“ mit seiner jetzigen Profession – „als Lehrer der Schwimmkunst und als Kunstfeuerwerker“.

Pyrotechnische Schwimmfeste

Ganz brav und bieder war der „Schwimm- und Badevater der freien Reichsstadt“, wie Heinrich Hoffmann den „alten Kleeblatt“ einmal nannte, dann doch nicht geworden. Seine Leidenschaft gehörte der Pyrotechnik. Kleine Proben seiner Feuerwerkskunst gab er gern bei der Prüfung seiner Schüler. Jeden Herbst, so erzählt Hoffmann, veranstaltete Kleeblatt „ein großes pyrotechnisches Schwimmfest, bei dem die Knaben des Waisenhauses und die Tochter des Meisters ihre Künste zeigen mußten“. Dabei trugen die Waisenknaben „hohe, aus Reifen gefertigte Papstkronen auf dem Kopf“, besetzt „mit allerlei Feuerwerkstücken“, die der Meister zündete: „Die Jungen sprangen im Fluß und ruderten sich lustig jubelnd und feuerspeiend umher“, schildert Hoffmann. Zum Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1815 erfüllte sich Kleeblatt den Traum von einem riesigen Feuerwerk, das er mit obrigkeitlicher Genehmigung am Grindbrunnen auf dem späteren Westhafengebiet veranstaltete. „Über 1.200 Raqueten allein aus Gewehren“ wurden dabei abgeschossen, und im Schein von Sonnen, Feuerrädern, romanischen Lichtern und allerlei anderen Feuerwerkskörpern erstrahlten ein Tempel und Pyramiden mit den Wappen der verbündeten Siegermächte und den „Bildniße(n) der Helden“ in „einem lange anhaltenden BrillantFeuer“. Auch durch „Canonenschläge von außerordentlicher Wirkung“ sollte „das Andenken“ an die Schlacht „zurückgerufen“ werden. Dieser heute eher kurios bis befremdlich anmutende Beweis vaterländischer Gesinnung kam damals an.

Schwimmunterricht nach militärischer Art

Nach Kleeblatts Tod 1833 übernahm seine Witwe Franziska geb. Kron die Leitung der Schwimmanstalt. Schon früher hatte sie im Betrieb mitgearbeitet und war zunächst hauptsächlich zuständig für die „Badewäsche“, die den Besuchern zur Verfügung gestellt werden musste. Schon als ihr Mann dann wegen seiner längeren Krankheit ausfiel, führte sie die Schwimmanstalt allein weiter, wobei sie immerhin von Heinrich Groh, dem langjährigen „Gehülfen“ ihres Gatten, als Schwimmlehrer und Bademeister unterstützt wurde. Auch über eine Erbauseinandersetzung mit ihrem Sohn aus erster Ehe, der die Eltern immer nur „durch schwarzen Undank gekränkt“ habe, rettete die tüchtige Geschäftsfrau das Unternehmen für Kleeblatts Kinder und Kindeskinder. Trotz der weiblichen Leitung des Badebetriebs waren allerdings die Schwimmschüler weiterhin männlich. Unter Franziskas zweitem Sohn und Nachfolger Franz Martin Kleeblatt herrschte ausdrücklich Zucht und Ordnung an der „Anstalt“: „Der Schwimm-Unterricht wird ganz nach militairischer Art geleitet, und sollen die Schüler am Schwimmgurt oder an sogenannter Longe so lange geführt werden, bis sie der Lehrer als tüchtig erklärt“, so heißt es in Paragraph I des „Reglements“ vom Mai 1847. Stolz rühmten sich die Kleeblatts später, dass zu ihren Badegästen auch Bismarck während seiner Gesandtenzeit und der spätere Kaiser Friedrich III. anlässlich seiner Besuche als Kronprinz in Frankfurt zählten.

Südländisches Flair bei Mosler

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand Kleeblatts Schwimmanstalt am Mainufer mit dem mittlerweile angelegten „Nizza“ längst nicht mehr konkurrenzlos da, und ihr Besitzer Felix Kleeblatt, ein Enkel des Gründers, musste sich seinen Lebensunterhalt im Winter mit einer Tanzschule verdienen. 1921 verkauften seine Erben die Badeanstalt an die Familie Mosler. Deren 1898 gegründetes Bad konnte sich dadurch zur größten der „schwimmenden“ Flussbadeanstalten entwickeln, die jedes Frühjahr auf Holzplanken über Pontons vor den Ufern des Mains neu errichtet und im Herbst wieder abgetragen wurden. Zu der bis zu 500 Meter langen Freizeitanlage gehörten u. a. ein Schwimmbad mit mehreren Becken, eine Rollschuhbahn, einige Faustballplätze sowie ein eigener Bootsverleih, und vom mondänen Café unter Palmen aus konnten die Gäste das ganze sommerliche Treiben am Main beobachten. Mit seinem südländischen Flair war „das Mosler“ in den zwanziger und dreißiger Jahren eine besondere Attraktion für das erholungshungrige Großstadtpublikum. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg wollte August Mosler, einer der letzten Besitzer, sogar ein noch größeres Sportzentrum am „Nizza“ aufbauen, was er jedoch nicht verwirklichen konnte. Lange war es mit dem Strandleben am Main vorbei. Erst seit einigen Jahren haben sich die Frankfurter den öffentlichen Freizeitraum an den Ufern „ihres“ Flusses zurückerobert. Nur schwimmen kann man (noch) nicht wieder dort.

Sabine Hock

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