Zeppelin zeigte, dass sein „Zeppelin“ was taugt

„Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung“ machte Frankfurt zur Luftfahrtmetropole

Vor hundert Jahren, am 10. Juli 1909, wurde in Frankfurt die „Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung“ (Ila) eröffnet. Mit Sensationen wie einer „Zeppelin“-Landung und einer Fliegerwoche lockte die dreimonatige Schau knapp 1,5 Millionen Besucher an. Vor allem aber gab sie wichtige Impulse für die weitere Entwicklung des Luftverkehrs.

Frankfurt am Main (pia) An einem Samstagnachmittag vor 100 Jahren kamen erstmals Besucher aus der Luft in Frankfurt an. Bei trüber Witterung war Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff Z II am 31. Juli 1909 früh um 3.40 Uhr in Friedrichshafen am Bodensee aufgestiegen, um zur „Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung“ (Ila) in Frankfurt und dann weiter nach Köln zu reisen. Über der Schwäbischen Alb überstanden er und seine neunköpfige Crew ein schweres Unwetter mit Sturm und Hagel. Gegen 14 Uhr endlich wurde der „Zeppelin“ vor Sachsenhausen gesichtet.

Zeppelin in Frankfurt

Nach einem Umweg über Offenbach, wo der Graf einem Bekannten zuliebe ein „Lufttelegramm“ mit Grüßen „aus der Höhe“ abwarf, kreuzte der zigarrenförmige Lenkballon über Frankfurt. Einmal blieb er einige Sekunden lang über dem Ausstellungsgelände an der Festhalle stehen, als wollte er landen. Die aufschauende Menschenmenge begann schon, das Deutschlandlied zu singen. Der Graf mit der weißen Schirmmütze winkte freundlich herab und ließ das 136 Meter lange Luftfahrzeug eine weitere halbe Stunde kreisen. Er wollte – wie er auf dem abendlichen Festbankett sagte – zeigen, dass „das Ding doch auch etwas taugt“. Genau um 15.27 Uhr legte der „Zeppelin“ schließlich eine im Luftschifferjargon so genannte „Damenlandung“, mühelos und elegant, am Rebstock hin. Den „großen Augenblick“, so berichtete der Frankfurter General-Anzeiger, konnten auf dem abgesperrten Ankerplatz allerdings „nur wenige Zuschauer“ erleben. Gerade rechtzeitig kam Oberbürgermeister Adickes mit dem Empfangskomitee „im bekränzten Automobil“ dort draußen an, um Zeppelin zu begrüßen. Auf der anschließenden Autofahrt in die Stadt wurde der Graf als der Nationalheld des Tages von den Massen stürmisch gefeiert und umjubelt. Ganz Frankfurt war im „Zeppelinfieber“, und über 150.000 Besucher strömten an diesem Wochenende zur Ila, um das berühmte Luftschiff dort vor Anker zu sehen.

Fortschrittliche Fachschau und wilhelminisches Wunderland

Zeppelins erste Landung in Frankfurt war ein Höhepunkt der „Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung“ (Ila). Am 10. Juli 1909 hatte Oberbürgermeister Franz Adickes die Ila als „ein völlig eigenartiges, nie gesehenes Kulturwerk“ eröffnet. Die wegweisende Schau, die das Stadtoberhaupt selbst in die aufstrebende Mainmetropole geholt hatte, war unter dem Vorsitz des Industriellen Leo Gans und unter der technischen Leitung des Majors Georg von Tschudi innerhalb von nur einigen Monaten organisiert worden. Das eindrucksvolle Entrée zu dem riesigen Ausstellungsgelände bildete die erst wenige Wochen zuvor eingeweihte Festhalle. Dort präsentierte sich eine technische und historische Fachmesse, in der u. a. ein Ballon von Käthchen Paulus, der Flugapparat der Brüder Wright und das Flügelpaar von Otto Lilienthal zu bewundern waren. Rund um die Halle gab es einen großen Vergnügungspark mit Attraktionen wie einem „Luftschiff-Panorama“ und einem „Aeroplan-Karussell“ sowie zahlreiche Gaststätten – von der urigen Ebbelwoikneipe bis zum japanischen Teehaus. Dahinter erstreckte sich auf dem heutigen Messegelände ein „Korbplatz“ mit neun Füllstellen und vier Hallen für Ballons sowie draußen vor dem Rebstöcker Wald das Fluggelände mit der Zeppelinhalle und einem Gleitflughügel. Weit weniger fortschrittlich als die hier gezeigten Vorführungen in der Luft waren aus heutiger Sicht allerdings manche Darbietungen im Rahmenprogramm, etwa die kriegerischen Marine-Schauspiele in einem monumentalen Wasserbassin und die afrikanische Völkerschau. In dem „Senegaldorf“ wurde in der ersten Ila-Woche sogar ein Kind geboren, ein Junge, der in einer feierlichen Zeremonie den Rufnamen „Ila“ erhielt. Auch höhere Töchter aus Frankfurter Familien sollen damals auf diesen Namen getauft worden sein.

Wurst wider Wurst

Im Mittelpunkt der Ila stand zunächst die „klassische“ Luftfahrt. Sie war durch zahlreiche Freiballons repräsentiert, die insgesamt 431 Aufstiege, darunter Wett- und Zielfahrten, mit über 1.200 Personen unternahmen. In einer der Ballonhallen war auch das lenkbare Luftschiff „Parseval III“ stationiert, das die Frankfurter an eine dicke Blutwurst erinnerte. Sie nannten es daher „Magespitz“, nach einer heute fast vergessenen Wurstsorte ähnlicher Form, während ein findiger Frankfurter Metzgermeister für den schlankeren „Zeppelin" sogar eine eigene Wurstkreation schuf. Aber nicht nur kulinarisch konkurrierten „Parseval“ und „Zeppelin“. Sie vertraten auch unterschiedliche Systeme des Luftschiffbaus: Der „Parseval“ war ein reiner „Motorballon“, der im Gegensatz zum „Zeppelin“ über keinerlei metallene Stützkonstruktion verfügte. Aus einer Wettfahrt auf der Ila ging der „Parseval“ mit seinem „nichtstarren“ System als Sieger über den „starren“ „Zeppelin“ hervor. Für stolze 200 Mark nahm „Parseval III“ bei seinen regelmäßigen „Auffahrten“ vom Ausstellungsgelände auch Passagiere mit. Einmal, bei der Rückkehr aus dem Taunus an einem Abend im August, musste das Luftschiff mitten auf der Frankenallee notlanden. Obwohl die mit elf Personen besetzte Gondel die Kamine der dortigen Feuerwache einfach „wegrasierte“, kam niemand zu Schaden. Lediglich die Ballonhülle war von einem Blitzableiter aufgeschlitzt worden, aber nach wenigen Tagen schon wieder geflickt.

Abflug in die Zukunft

Krönender und zugleich zukunftweisender Abschluss der Ila war die „Fliegerwoche“, der erste internationale Flugzeugwettbewerb, im Oktober 1909. Am Start war auch Louis Blériot, dem es nur wenige Wochen zuvor geglückt war, erstmals den Ärmelkanal zu überfliegen. Er und der belgische Baron de Caters machten den durchaus einträglichen Wettbewerb weitgehend unter sich aus. Einziger deutscher Teilnehmer war der Frankfurter Flugpionier August Euler, der immerhin einmal den Tagespreis für den längsten Flug (mit einer Dauer von 4 Minuten und 54 Sekunden!) errang. So konnten die Frankfurter zu guter Letzt noch „ihren“ ersten Lufthelden feiern. Bis zum Abschluss am 17. Oktober 1909 zog die sensationsreiche Ila insgesamt knapp 1,5 Millionen Besucher an, obwohl 63 der 100 Ausstellungstage verregnet waren. Trotz des riesigen Publikumserfolgs stand am Ende der Schau ein beachtliches finanzielles Defizit, das auch der nachträgliche Verkauf von 490.000 Motivpostkarten nicht decken konnte. Erst großzügige Spenden aus der Frankfurter Geschäftswelt stopften das Loch. Derweil zeigte sich schon die bahnbrechende Wirkung der Ila. Noch unter dem Eindruck der Ausstellung wurde in Frankfurt bald die erste Luftverkehrsgesellschaft der Welt gegründet. Für deren Betrieb, zunächst freilich mit Luftschiffen, entstand der erste Frankfurter Flughafen – auf dem Rebstockgelände, nahe dem einstigen Schauplatz der Ila.

Sabine Hock

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 02.07.2009

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