Die Revolution fiel aus

Vor 175 Jahren scheiterte der Frankfurter Wachensturm

Studentische Freiheitskämpfer stürmten vor 175 Jahren, am 3. April 1833, die Frankfurter Wachen. Damit wollten sie in der Stadt am Main das Signal geben für einen Aufstand im ganzen Land. Doch trotz des erfolgreichen Starts war das wagemutige Unternehmen schon nach einer knappen Stunde gescheitert.

Frankfurt am Main (pia) Es war ein regnerischer Mittwochabend in der Karwoche. Gegen 21 Uhr öffnete sich die Hintertür des alten Münzgebäudes in der Nähe des Frankfurter Karmeliterklosters. Ein paar Männer traten heraus und machten sich auf den Weg durch die Altstadt. Bald folgte ihnen eine weitere Gruppe, dann noch eine und noch eine, insgesamt etwas über 50 Personen, meist Studenten süddeutscher Universitäten. Ein Teil der Bewaffneten zog in Richtung Konstablerwache, die anderen versammelten sich an der Katharinenkirche. Genau um 21.30 Uhr gab ein Kundschafter das verabredete Zeichen zum Sturm auf die Hauptwache. Der Wachtposten wurde niedergeschossen, und die Aufständischen drangen in das Gebäude ein. Die Soldaten waren so überrascht, dass sie nicht einmal mehr zu ihren Gewehren greifen konnten. Schnell hatten die Attentäter die Hauptwache in ihrer Gewalt, sperrten die Soldaten in der Wachstube ein und befreiten die politischen Gefangenen.

Für Deutschlands Einheit in Freiheit

Mit dem Angriff der studentischen Freiheitskämpfer auf die Hauptwache begann vor 175 Jahren, am 3. April 1833, der „Frankfurter Wachensturm“. Bewusst hatten die Initiatoren des Aufstands die frühere Reichsstadt und damalige Freie Stadt am Main zum Schauplatz gewählt. Hier residierte seit 1816 der Bundestag, die oberste Behörde des Deutschen Bundes, die als Sinnbild für die restaurative, alle nationalen und liberalen Bestrebungen radikal unterdrückende Politik in den deutschen Staaten galt. Das „Frankfurter Attentat“, wie es in den Geschichtsbüchern auch heißt, wollte weit mehr sein als ein militanter Studentenstreich. Tatsächlich ging es dabei um nicht weniger als Deutschlands Einheit in Freiheit. In Frankfurt sollte die Revolution für das ganze Land entzündet werden. Doch trotz des erfolgreichen Starts war das wagemutige Unternehmen schon nach einer knappen Stunde gescheitert.

Zur „Hochzeit“ reisten Studenten aus ganz Deutschland an

Zu den Organisatoren des Aufstands gehörten Frankfurter Bürger aus angesehenen Familien. Unter dem Eindruck massiver Repressionen des Bundestags nach dem Hambacher Fest 1832 waren sie zu der Überzeugung gelangt, dass die deutsche Einheitsbewegung nur noch durch einen entschlossenen Coup zum Ziel geführt werden könnte. Insbesondere der Arzt Gustav Bunsen sowie die Anwälte Franz Carl Gärth und Gustav Körner begannen, ein revolutionäres Netzwerk zu knüpfen, und reisten zu Sondierungsgesprächen in deutsche Universitätsstädte. Zugleich legte Bunsen ein Waffendepot im Münzhof an, das ein Frankfurter Bankier mitfinanzierte. Mit codierten Briefen wurden bald Studenten von verschiedenen Universitäten an den Main beordert: „Anfangs April hat meine Schwester in Frankfurt Hochzeit (...). Es wird mich sehr freuen, wenn Du diesem Feste beiwohnst und tüchtige Freunde mitbringst.“ Schließlich wurde der 3. April 1833 zum „Hochzeitstag“ bestimmt.

Die Bürger wollten nicht an die Gewehre

Obwohl die Frankfurter Strategen nicht wussten, dass ihre Absichten in anonymen Briefen an die Stadtregierung und den Bundestag verraten worden waren, kamen ihnen im letzten Augenblick Zweifel. Sie wussten, dass sie auf die spontane Unterstützung der Bevölkerung hoffen mussten, wenn der Plan gelingen sollte. Sofort nach der Erstürmung der Hauptwache wandte sich Bunsen daher an die schaulustige Menge auf dem Platz. Mit dem Ruf „Nieder mit dem Deutschen Bunde! Es lebe die Freiheit!“ verteilte er die erbeuteten Waffen. Doch die Bürger wollten die Gewehre nicht haben, ließen sie von Hand zu Hand wandern und legten sie schließlich in einer Seitenstraße ab. Bunsen stürmte weiter zur Konstablerwache, die er von der zweiten Gruppe der Aufständischen besetzt sah und eilte von dort weiter zum Dom - in der Hoffnung, durch das Läuten der Sturmglocke doch noch die Massen zu mobilisieren. Auf dieses Signal wartete immerhin eine Schar von Bauern aus dem Umland, die zur Unterstützung der Aufständischen vor dem Friedberger Tor angerückt war. Sie fanden das Stadttor aber längst verschlossen und kehrten deshalb einfach wieder um. In der Stadt schlug nun das anrückende Militär den Aufstand nieder. Insgesamt gab es zehn Tote und vermutlich über 30 Verletzte. Auf die Nachricht vom Scheitern der Frankfurter Vorkämpfer hin schritten die Verbündeten im übrigen Deutschland erst gar nicht zur Tat. Die Revolution fiel einfach aus.

Fürsorge für die Gefangenen

Nach dem missglückten Wachensturm schlugen sich die Frankfurter, die sich im entscheidenden Moment so passiv gezeigt hatten, ganz auf die Seite der Aufständischen. Mit Hilfe von Freunden konnten die meisten der Wachenstürmer sich zunächst verbergen und später entkommen. Bei der Razzia gleich in der Nacht nach dem Attentat gingen nur einige ortsfremde Studenten in die Fänge der Polizei. Diesen „Aprilgefangenen“ widmeten sich künftig die oppositionellen Kreise der Stadt mit weitreichender Fürsorge - bis hin zum Schmieden von Ausbruchsplänen, von denen einige sogar glückten. Ansonsten kehrte in Frankfurt, das wegen des Putschversuchs zwar eine mehrjährige Besatzung mit österreichischen und preußischen Bundestruppen erdulden musste, aber bald wieder der Alltag ein. Am 9. Juni 1833, nur wenige Wochen nach dem Wachensturm, wurde die neue evangelisch-lutherische Hauptkirche der Stadt eingeweiht: die Paulskirche. Noch konnte keiner ahnen, dass in dem Gotteshaus fünfzehn Jahre später die Frankfurter Nationalversammlung, das erste frei gewählte deutsche Parlament, tagen würde.

Sabine Hock

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 25.03.2008

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