In Frankfurt ließ sich Wilhelm Busch verwöhnen

Der weltbekannte Zeichner und Dichter ist vor 100 Jahren gestorben

Seine Bildergeschichte über „Max und Moritz“ war ein Welterfolg. Die Anregung für ein weiteres seiner berühmten Werke, „Die fromme Helene“, hat Wilhelm Busch in Frankfurt bekommen. Hier hat der Zeichner und Dichter fast vier Jahre lang als Freund der Bankiersfamilie Keßler gelebt. Vor 100 Jahren, am 9. Januar 1908, ist er in Mechtshausen am Harz gestorben.

Frankfurt am Main (pia) Frankfurt war die Stadt seiner Sehnsucht. Fast vier Jahre lang hatte Wilhelm Busch hier gelebt, und seitdem ließ er die Gedanken oft zurück an den Main schweifen, zu den „Eins, Zwei, Drei“, wie er die Frankfurter Bankiersgattin Johanna Keßler und deren zwei Töchter nannte. „Da sitz ich nun wieder am Fenster des Pfarrhauses und seh über den Garten weg in das kalte regnigte Wetter hinaus“, schrieb er aus dem heimischen Wiedensahl kurz vor Weihnachten 1876 an seine „Wahlnichte“ Letty Keßler. „Also dort hinüber liegt Frankfurt, wo das schöne große Haus steht mit der guten Mama darin, die Morgens den guten Kafe braut, den guten Lebkuchen backt und in der Dämmrung den guten Thee bereitet.“ Über 350 Briefe sandte Busch im Laufe der Zeit „an die bewußten Frauenzimmer“ in Frankfurt. Niemandem und nirgendwohin sonst hat er öfter geschrieben.

„Max und Moritz“ hatten ihn berühmt gemacht

Vor 100 Jahren, am 9. Januar 1908, ist Wilhelm Busch in Mechtshausen am Harz gestorben. Noch im Juni 1907 hatte er Frankfurt zum letzten Mal besucht. Erstmals war er wohl im Frühjahr 1868 in die Mainstadt gekommen. Dort arbeitete sein jüngerer Bruder, Dr. phil. Otto Busch, als Hauslehrer bei dem Bankier Johann Daniel Heinrich Keßler. Zu dieser Zeit war der am 15. April 1832 geborene Wilhelm Busch als humoristischer Zeichner und Dichter bereits äußerst populär, durch seine Bildergeschichte „Max und Moritz“, die bald nach ihrem ersten Erscheinen 1865 zu einem Welterfolg wurde.

Zeichenstunde und Frühstück mit Nanda und Letty

Nicht lange nach seinem ersten Besuch begann Wilhelm Busch, sich häuslich in Frankfurt einzurichten. Von 1869 bis 1871 wohnte er im Gastzimmer der Familie Keßler in deren herrschaftlicher Villa in der Bockenheimer Landstraße 62 im heutigen Westend. Dazu mietete er sich ein Atelier in einem nahe gelegenen Künstlerhaus im Kettenhofweg 44. Im Oktober 1871 gründete er einen eigenen Hausstand im ehemaligen Kutscherhaus des Keßlerschen Anwesens. Seine besonderen Lieblinge waren drei Damen des Hauses Keßler, seine Gastgeberin Johanna Keßler und ihre beiden jüngsten Töchter Ferdinanda gen. Nanda und Letitia gen. Letty. „Jeden Morgen“, so erinnerte sich Nanda, „hatten meine Schwester Letty und ich eine kindliche Zeichenstunde mit nachherigem gemeinsamen Frühstück.“ Mittags um 12 Uhr ging Busch „zu Prestel auf dem Roßmarkt“, in dessen Kunsthandlung „die neuesten Kunstereignisse besprochen“ wurden. Samstags trafen er und sein Bruder sich mit einigen anderen Herren zum Wein in einer Trinkstube am Kornmarkt.

Das „sündliche“ Frankfurt gab die Anregung zur „Frommen Helene“

Seine Eindrücke vom Frankfurter Leben verarbeitete Busch bald in einer Bildergeschichte, die bis heute zu seinen bekanntesten zählt: „Die fromme Helene“. Die Anregung dazu gab ihm eine Aufführung von Offenbachs „Die schöne Helena“ im Thalia-Theater, Frankfurts ersten Operettentheater, in der Wintersaison 1869/70. Die Hauptdarstellerin wurde damals zum Stadtgespräch, weil sie ihr griechisches Gewand derart geschlitzt trug, dass man gelegentlich ihr Bein „bis obenhin“ sehen konnte. So ist die „sündliche“ Großstadt, die Busch den „frommen Sänger“ zu Beginn von Helenes Geschichte verteufeln lässt, eindeutig Frankfurt. Vor einem Frankfurter Hintergrund stehen auch einige der 180 Zeichnungen. Im Frühjahr 1872 erschien „Die fromme Helene“ im Druck.

Ein aufmerksamer Beobachter des Großstadtlebens

Ende März 1873 löste Wilhelm Busch seinen Frankfurter Haushalt auf, um ganz nach Wiedensahl zurückzukehren. Offenbar war es zu Spannungen im Hause Keßler gekommen. Busch, der deutlich mehr als freundschaftliche Gefühle für Johanna Keßler hegte, hatte die Erwartungen, die sie in ihn als Maler setzte, nicht erfüllt. Man wechselte noch einige Briefe, dann herrschte jahrelang Stille zwischen Busch und den Keßlers. Erst im Herbst 1891 kehrte er in die Villa Keßler zurück, wo ihn die inzwischen verwitwete Johanna und ihre Töchter vier Wochen lang verwöhnten. Seitdem besuchte Busch „seine lieben Frankfurter“ wieder alljährlich mindestens einmal, meist im Juni. Das Großstadtleben beobachtete er weiterhin aufmerksam und, anders als sein „frommer Sänger“ in Helenes Geschichte, durchaus aufgeschlossen. „Mein Besuch in Frankfurt a/Main stand unter dem Zeichen des Automobils“, berichtete er beispielsweise im Juni 1904. „Hunderte dieser Stänker flitzten hin und her und blärrten dabei gleich, denk ich mir, den Rhinozerößern im Urwald. Zunächst kommen Einem die Dinger ja unheimlich vor, dennoch mögen sie wohl zu land die Fahrzeuge der Zukunft sein.“

Wilhelm Busch im Städel

Viele Originale seiner Werke hat Wilhelm Busch den Keßlers zum Geschenk gemacht. Als die Familie ihm das beachtliche Konvolut später zurücksenden wollte, damit es zusammenbliebe, wollte er das gern Gegebene nicht wieder nehmen. Er empfahl, alles später einmal dem Städelschen Kunstinstitut zu vermachen. Die Keßlers erfüllten ihm diesen Wunsch. Nur „Die fromme Helene“, deren Originalmanuskript der Schöpfer einst auch Johanna Keßler schenkte, kam an das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover.

Sabine Hock

Anlässlich des 100. Todestags von Wilhelm Busch plant die Frankfurter Bürgerstiftung die Ausstellung „Herzenspein und Nasenschmerz“, die vom 16. März bis zum 27. April 2008 im Holzhausenschlösschen zu sehen ist und von einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm begleitet wird. Weitere Infos: Frankfurter Bürgerstiftung, Tel. 069/557791.

Service PRESSE.INFO, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Feature vom 20.12.2007

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