Heiß und kalt

Vor fünfzig Jahren wurde das Exotarium im Frankfurter Zoo eröffnet

Seit einem halben Jahrhundert lockt es seine Besucher in die faszinierende Welt der Fische, Reptilien und Amphibien. Am 28. August 1957 wurde das Exotarium im Frankfurter Zoo, damals eines der modernsten und größten Aquaterrarien überhaupt, eröffnet. Auch aufgrund seiner zahlreichen Welterstzuchten gilt es bis heute als ein führendes Institut seines Fachs.

Frankfurt am Main (pia) „Die Welten liegen hier dicht beieinander“, notierte ein Journalist. Rechts fand er die südamerikanischen Tropen, links eine Polarlandschaft - im damals neu eröffneten Exotarium. In der antarktischen „Klimalandschaft“ am Eingang konnte er, erstmalig in einem deutschen Zoo, Pinguine beim Schwimmen auch unter Wasser bewundern. Noch heute empfangen die befrackten Vögel die Besucher am Entree in ein faszinierendes Reich der Fische, Reptilien und Amphibien. Aus dem schummerigen Vorraum taucht man ein in das mystische Dunkel der Aquariumshalle, wo man sich fast fühlt, als würde man selbst unter Wasser wandeln. Von dort führt eine Leuchttreppe, deren Aufgang mit kleinen Zierfischaquarien wie lebenden Gemälden geschmückt ist, hinauf in die Reptilienhalle zu den Echsen, Schlangen und Schildkröten, und durch den Krokodildschungel geht es schließlich ins Insektarium, wo sich nicht nur kleine Jungs gern vor den Vogelspinnen gruseln. Rund 300 Tierarten leben heute im Exotarium, das aufgrund bedeutender Haltungs- und Zuchterfolge zu den weltweit führenden Instituten seines Fachs zählt.

Vor 50 Jahren, am 28. August 1957, wurde das Exotarium im Frankfurter Zoo eröffnet. Der Name war zwar neu, sogar eigens für den wiedererrichteten Bau „erfunden“, doch konnte das Haus an eine lange Tradition anknüpfen. Bereits 1877 war im Zoo ein Aquarium eröffnet worden, damals das zweite in Deutschland, das bald zum Vorbild für ähnliche Einrichtungen in Europa wurde. Ganz nach dem Geschmack der Zeit hatte sich das Aquarium als Burg „verkleidet“: Unter dem künstlichen und kühlenden Burgberg befand sich die Gewölbehalle mit den Aquarien, die das Wasser direkt aus dem Burgturm, eigentlich einem Wasserspeicher mit einer entsprechenden Aufbereitungsanlage, bezogen. 1904 wurde das Aquarium um eine Reptilienhalle aufgestockt. Dort entstand vier Jahre später, nach dem damals eher noch unüblichen Grundsatz der Tierhaltung im naturnahen Lebensraum, eine tropische Sumpflandschaft für Krokodile. Deren spektakulärster Bewohner war genau 30 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1940, ein gigantischer China-Alligator. Besonderer Liebling in der Reptilienhalle aber war seit 1922 der zahme, zuletzt über zwei Meter lange Bindenwaran „Bubchen“, der seinem Pfleger sogar auf den Schoß kroch. Bei den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs wurde das alte Aquarium im März 1944 endgültig zerstört. Alle Tiere, außer einer Vipernatter, kamen ums Leben.

Nach dem Krieg wollte Zoodirektor Bernhard Grzimek das Aquarium am liebsten am anderen Ende der Stadt aufbauen. „Zoobesucher müssen in einem großen Tiergarten schon so viele neue Eindrücke aufnehmen und verdauen, dass eine zweite, vielfältige Schaueinrichtung wie ein Aquarium einfach zuviel ist“, meinte er. Aus Kostengründen wurde schließlich doch der Wiederaufbau des zerstörten Aquariums im Zoo beschlossen. Unter Federführung von Gustav Lederer, dem langjährigen und erfahrenen Leiter des alten Aquariums, entstand ab 1952 das neue „Exotarium“, ein wahres Wunderwerk der Technik, das bereits bei seiner Eröffnung 1957 als eine Sehenswürdigkeit von europäischem Rang galt. Die gesamte Anlage des neuen Aquaterrariums war ihrer Zeit weit voraus. So erschien die Reptilienhalle nicht als dunkle Betongrotte mit künstlicher Beleuchtung, sondern als lichter Raum mit einem riesigen Glasdach, das zur direkten Sonnenbestrahlung der Tiere elektrisch geöffnet werden konnte.

Die technisch hochmoderne Ausstattung hatte ihren Preis: Knapp 1,8 Millionen Mark kostete der Bau des Exotariums. Zur Finanzierung des aufwendigen Betriebs wurde sogleich ein „Sondereintritt“ erhoben. Erwachsene zahlten eine Mark und Kinder 50 Pfennig zusätzlich zum Zoo-Eintrittspreis, wenn sie auch das Exotarium besichtigen wollten. Das Publikum strömte dennoch herbei. Kaum 15 Monate nach der Eröffnung wurde der einmillionste Besucher im Exotarium begrüßt, ein ägyptischer Student, der einen lebensgroßen Pinguin aus Zucker geschenkt bekam und die echten Pinguine einmal füttern durfte. Eine besondere Attraktion für alle Besucher waren die Abendöffnungszeiten des Exotariums: Bis 22 Uhr, wenn der übrige Tiergarten längst geschlossen war, ließ sich durch Aquariums- und Reptilienhalle flanieren. Diesen Brauch setzt das Exotarium bis heute fort, allerdings nur in den Wintermonaten, wenn es freitags bis 21 Uhr geöffnet hat.

In den achtziger Jahren wagte das Exotarium den endgültigen Schritt weg von der klassischen „Tiersammlung“. Aufgrund der Erfahrungen aus der praktischen Arbeit wurde das Haus grundlegend restauriert und umgebaut, um eine artgerechtere Haltung der Tiere in naturnahen Lebensräumen zu ermöglichen. Zum erklärten Hauptziel der modernen Zoohaltung wurde die Nachzucht der Tiere, die bei Reptilien und Amphibien besonders kompliziert sein kann. Doch das Exotarium hat auf diesem Gebiet inzwischen weltweit einzigartige Erfolge aufzuweisen. In der Reptilienhalle lassen sich etwa seltene Echsen aus eigener Zucht bestaunen, zum Beispiel Nashornleguane und Blaue Bambusphelsume. Oder die Kronenbasilisken, die sogar kein anderer Zoo der Welt zeigt, da sie überall als „unhaltbar“ angesehen werden. In der Krokodilhaltung hat sich das Exotarium ab 1990 auf Australische Süßwasserkrokodile spezialisiert, wovon es die einzige Zuchtgruppe außerhalb Australiens besitzt. Auf sie geht zweimal täglich das traditionelle Tropengewitter nieder. Einst wurde das Spektakel mit Platzregen und Theaterdonner eingerichtet, um die Krokodile zum Brüllen zu bringen. Doch nie machte eine der Panzerechsen auch nur einen Mucks. Daher wurde das künstliche Gewitter schon einmal abgeschafft. Es erhob sich ein anderes Grollen - des protestierenden Publikums. Seither donnert es wieder im Exotarium. Die Krokodile lässt das weiterhin kalt. Aber die Besucher finden’s eben „cool“.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 31 vom 07.08.2007

Seitenanfang