Ein tollkühner Flieger

Zum 50. Todestag des Frankfurter Luftverkehrspioniers August Euler

Er hat den Grundstein für das heutige Zentrum des Luftverkehrs im Rhein-Main-Gebiet gelegt. August Euler siedelte eigene Flugzeugwerke und den ersten Flughafen in Frankfurt an. Am 1. Juli 1957 ist der wagemutige Pionier des Fliegens gestorben. In seiner Wahlheimatstadt Frankfurt hat er ein Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof.

Frankfurt am Main (pia) Schon vor fast hundert Jahren wurde im Stadtparlament heftig über einen Flughafenausbau debattiert. Damals, wohl etwa im Jahr 1910/11, eiferte ein Redner gegen „das unerhörte Verlangen dieses Herrn Euler, dass ihm die Stadt eine Wasserleitung hinauslege nach Niederrad“. Das Gesuch von August Euler, der gerade dabei war, den ersten Flughafen in Frankfurt anzulegen, wurde abgelehnt. Doch der tollkühne Flieger gab so schnell nicht auf. Er protestierte in einem Brief an die Stadt: „In hundert Jahren wird irgendein Mann in Ihrem Stadtparlament aufstehen und vorschlagen, diesem Pionier des Fliegens, August Euler, ein Denkmal zu setzen. Ich und alle meine Piloten, das erkläre ich heute schon, verbitten uns jetzt schon dieses Denkmal, weil man uns im Leben das Wasser nicht reichen wollte.“ Oberbürgermeister Franz Adickes schrieb nur einen Satz darunter: „Dem Mann ist die Wasserleitung sofort gratis zu legen.“

Vor 50 Jahren, am 1. Juli 1957, ist August Euler an seinem Ruhesitz auf dem Feldberg im Schwarzwald gestorben. Fünf Tage später wurde er in seiner langjährigen Wahlheimatstadt Frankfurt beigesetzt, in einem Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof, während ein Eindecker mit schwarzen Bändern an den Tragflächen die Trauergemeinde überkreiste. Längst war Eulers Verdienst, früh die wirtschaftliche Bedeutung der Fliegerei über die einst rein sportliche Dimension hinaus erkannt und den Grundstein für das heutige Zentrum des Luftverkehrs im Rhein-Main-Gebiet gelegt zu haben, allgemein anerkannt.

August Euler, geboren am 20. November 1868 in Oelde in Westfalen, erwarb sich zunächst als technischer Kaufmann ein ansehnliches Vermögen. Zu Beginn seiner Laufbahn handelte er mit Fahrrädern und wurde zugleich als Radrennfahrer populär. Als Vertreter der Fahrrad- und Maschinenindustrie reiste er seit 1893 durch Europa und Asien. In Russland führte er das Fahrrad als Verkehrsmittel ein, und in Japan lernte er, der holländischer Boxmeister gewesen sein soll, auch Jiu-Jitsu. Um die Jahrhundertwende wandte sich Euler dem Automobil zu, arbeitete als Automobilkonstrukteur in Dresden, fuhr erfolgreich Autorennen und leidenschaftlich Motorrad. Um 1904/05 machte er sich in Frankfurt mit dem Handel von Automobil-konstruktionsmaterial selbstständig. Schon bald erlag er wieder der Faszination des Neuen - „dem Fliegen mit Gerät schwerer als Luft“.

Ohne vorher jemals geflogen zu sein, wollte August Euler gleich einen eigenen Flugplatz einrichten. Doch in Frankfurt fand er kein geeignetes Gelände. So entstand sein Flugplatz, der erste in Deutschland überhaupt, ab Oktober 1908 auf dem Truppenübungsgelände Griesheimer Sand bei Darmstadt. Dort und in seinen Frankfurter Werkstätten baute er seine ersten Flugzeuge, zuerst in Lizenz nach dem französischen Vorbild der Brüder Voisin, bald in eigener Konstruktion unter zahlreichen Flugversuchen. Zur „Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung“ (Ila) in Frankfurt 1909 konnte Euler bereits vier Motor- und drei Gleitflugzeuge aus eigener Produktion senden. Als einziger deutscher Teilnehmer trat er auch im Wettbewerb auf der „Fliegerwoche“ der Ila an: Er blieb teilweise über acht Minuten in der Luft und errang sogar einmal den Tagespreis für den längsten Flug. Damit waren ihm die ersten offiziellen Motorflüge eines deutschen Piloten gelungen. Am 1. Februar 1910 erhielt Euler das Flugzeugführerpatent „Deutschland Nr. 1“. Noch im selben Jahr glückten ihm der erste deutsche Überlandflug (von Darmstadt nach Frankfurt in 37 Minuten) und der deutsche Distanz-Dauerflugrekord von drei Stunden, sechs Minuten und 18 Sekunden. Schon war ihm das Griesheimer Gelände zu klein für seine Pläne. Auf dem heute noch bestehenden Flugplatz, der inzwischen Eulers Namen trägt, soll übrigens ab 2008 ein Luftfahrtmuseum an den Flugpionier erinnern.

Um 1910/11 erwarb August Euler von der Stadt Frankfurt für zwei Millionen Mark ein großes Gelände in Niederrad, wo er 1912-13 für weitere 1,5 Millionen Mark eine Flugzeugwerft mit fünf Hallen und Werkstätten sowie einer Fliegerschule errichtete. Am 10. Juni 1912 startete von hier aus mit der Euler-Flugmaschine Nr. 33, Typ „Gelber Hund“, der erste amtliche Postflug. Schon früh hatte Euler allerdings nicht nur den verkehrstechnischen und wirtschaftlichen, sondern auch den militärischen Wert des Flugzeuges erkannt. Bereits 1910 erwarb er das Patent für ein Flugzeug mit starr eingebautem Maschinengewehr, dessen Weiterentwicklungen zum Einsatz im Ersten Weltkrieg kamen. Seit 1914 lief in den Eulerwerken Tag und Nacht die Kriegsproduktion. Aufgrund des Versailler Vertrags wurde die Flugzeugwerft in Niederrad 1919 stillgelegt. August Euler wechselte als Unterstaatssekretär des Reichsamtes für Luft- und Kraftfahrwesen nach Berlin. Innerhalb von zwei Jahren, bis zu seinem Rückzug ins Privatleben, schuf er die ersten Luftfahrtgesetze, die erste Luftverkehrsordnung und damit die Basis für den Aufbau des zivilen Luftverkehrs in Deutschland. Als die Stadt Frankfurt einen Flughafen plante, wurde auch erwogen, dafür das frühere Eulergelände in Niederrad zu verwenden. Doch schließlich wurde der Frankfurter Flughafen 1924 am Rebstock neu eröffnet, wo einst „der tolle Euler“ auf der Ila seine ersten erfolgreichen Flüge unternommen hatte.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 25 vom 26.06.2007

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