Wie Frankfurt zu Mainhattan wurde

Schon vor dem Krieg gab es in der Mainstadt erste Hochhäuser

Frankfurt hat eine in Europa einzigartige Skyline. Als der erste Bauboom von Wolkenkratzern in den siebziger Jahren einsetzte, stieß dies allerdings noch auf Protest bei vielen Bürgern. Seit die Riesen in den neunziger Jahren aber nicht nur immer höher, sondern auch immer schöner wurden und sich zu „Clustern“ formten, ist man in Frankfurt stolz auf sie.

Frankfurt am Main (pia) Eigentlich wollten die Frankfurter ihre Hochhäuser gar nicht haben. Zu Beginn der siebziger Jahre, mitten im „Häuserkampf“ um das Westend, sahen viele Bürger die ersten entstehenden Wolkenkratzer in der Mainstadt als negatives Symbol für die Kraft des Kapitals, die die Städte unbewohnbar zu machen drohte.

Gerade ließ der iranische Investor Ali Selmi am Platz der Republik ein Hochhaus bauen, das mit 42 Stockwerken auf 142 Metern das damals höchste Gebäude von Frankfurt werden sollte. Als der Rohbau in der Nacht zum 23. August 1973 auf den obersten Etagen zu brennen anfing, wie eine riesige Fackel weithin sichtbar über der Stadt, versammelte sich rund um die Baustelle bald eine jubelnde und applaudierende Menschenmenge. Studenten stimmten Spottlieder an: „Heut verbrennen wir dem Selmi sein klein Häuschen!“ Doch bereits nach acht Monaten war der Schaden wieder behoben. Das 1975 eingeweihte Selmi-Hochhaus, das jetzige Cityhaus, wurde zu einem der ersten Bausteine für die Skyline.

Heute trägt Frankfurt seinen einstigen Schimpfnamen „Mainhattan“ als Ehrentitel. Die Stadt schmückt sich stolz mit ihrer Skyline, die einzigartig in Europa ist. Auf relativ kleinem Raum in der westlichen City drängen sich weit über 20 Hochhäuser, von denen neun „echte“ Wolkenkratzer von über 150 Metern Höhe sind. Am höchsten hinaus reicht der Commerzbank Tower (1997), der es auf 258 Meter, mit der Antenne sogar auf 300 Meter bringt. Am beliebtesten ist wohl der „nur“ 256 Meter hohe Messeturm (1990), dem der deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn die riesige Bleistiftform gab. Weitere baukünstlerische Highlights setzen etwa das von Oswald Mathias Ungers geschaffene Messetorhaus (1984), das strahlenumkränzte Kronenhochhaus (1993), das mit einem „Diamanten“ bedachte Trianon (1993) und das in fernöstlichem Stil gehaltene Japan Center (1996). Der 200 Meter hohe Main Tower (1998) bietet dem breiten Publikum ein Restaurant und eine Aussichtsplattform auf der Spitze. Die meisten anderen Hochhäuser sind, vor allem aus Sicherheitsgründen, nicht öffentlich zugänglich.

Nach den Landesbauordnungen zählt aus Brandschutzgründen ein Gebäude schon als Hochhaus, wenn der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraums mehr als 22 Meter über der Geländeoberfläche liegt. Als Wolkenkratzer werden turmartige, zu Wohn- oder Bürozwecken genutzte Gebäude ab 150 Metern Höhe bezeichnet. Der erste definitionsgemäße „Skyscraper“ wurde 1908 in New York fertiggestellt. In Deutschland lehnte man die Giganten als „Amerikanismus“ im Städtebau bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ab. Als erstes Hochhaus in Frankfurt gilt der neungeschossige Mousonturm, der innerhalb der Industrieanlage der Seifenfabrik J. G. Mouson & Co. im Ostend 1925/26 errichtet wurde. Weitere frühe Frankfurter Hochhäuser, wie die Großmarkthalle (1928) und das I.G. Farben-Haus (1931), blieben jedoch in der Höhe mit 30 bzw. 35 Metern ziemlich bescheiden.

Noch beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt wandten sich die Planer zunächst gegen eine „Hochhausseuche“, wie es Stadtbaurat Moritz Wolf im November 1949 ausdrückte. Das Hochhaus mit acht, zehn oder zwölf Stockwerken sollte eigentlich eine Ausnahme im Stadtbild bleiben. Seit 1950 entstanden jedoch zahlreiche solcher „Solitäre“: das AEG-Haus (1950) an der Friedensbrücke, das Juniorhaus (1951) am Kaiserplatz, das Bayerhaus (1952) am Eschenheimer Turm, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn (1953) in der Friedrich-Ebert-Anlage, das Haus Bienenkorb (1954) an der Konstablerwache - und so weiter. Besonders spektakulär war seinerzeit der Bau des 69 Meter hohen Fernmeldehochhauses (1954) mit seinen beeindruckenden Sendeanlagen auf der auskragenden Dachplatte. Bis zur Errichtung des Henningerturms (1961), der - trotz der Höhe von 120 Metern - wegen seiner Nutzung als Getreidesilo eigentlich nicht als Hochhaus zählt, blieb der 95 Meter hohe Domturm aber noch die unangefochtene Spitze der Stadt.

Bereits 1953 veröffentlichte die Stadt einen ersten Hochhausplan, der den Bau von Hochhäusern als „Dominanten“ nur an bestimmten Stellen im Stadtgebiet erlaubte. Bald gab es schon wieder Ausnahmen von der Ausnahme. Nach der heftig umstrittenen Umwidmung des Westends zum City-Erweiterungsgebiet für die Geschäftsnutzung kam es dort zum ersten Bauboom von Hochhäusern. In den siebziger Jahren entstanden erste echte „Turmhäuser“: das Selmi-Hochhaus (1975), das Helaba-Hochhaus (1976), die Dresdner Bank (1978), das BfG-Hochhaus (heute Eurotower, 1979), später die Deutsche Bank mit ihren verspiegelten Zwillingstürmen „Soll und Haben“ (1985). Die Skyline mit ihren Glitzertürmen begann sich abzuzeichnen.

Spätestens seit 1989 wurden die Hochhäuser gezielt nach amerikanischem Vorbild und entgegen der bisherigen deutschen Tradition auf engstem Raum im Bankenviertel konzentriert („geclustert“). Markante Punkte setzten die Giganten der neunziger Jahre wie Messeturm (1990), Commerzbank Tower (1997) und Main Tower (1998). Der 11. September 2001 beendete zunächst das Aufwärtsstreben. Inzwischen werden jedoch wieder neue Hochhausprojekte vorangetrieben. Dafür müssen auch schon Hochhäuser früherer Generationen weichen, etwa das alte Fernmeldehochhaus, das für das Großbauunternehmen „FrankfurtHochVier“ 2004 abgerissen wurde. Mit diesem Projekt an der Hauptwache und dem Neubau der Europäischen Zentralbank im Ostend will Frankfurt nun auch außerhalb des „Clusters“ im Westen der Stadt „hoch hinaus“.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 14 vom 10.04.2007

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