Ein Pionier auf dem Markt der Telekommunikation

Vor 75 Jahren starb der Frankfurter Unternehmer Harry Fuld

Um die Wende zum 20. Jahrhundert hatte Harry Fuld in Frankfurt mit der Vermietung von Haustelefonanlagen begonnen. Das erfolgreiche Unternehmen des jüdischen Gründers wurde in der Nazizeit enteignet. Umbenannt zu „Telefonbau und Normalzeit“, entwickelte sich die Firma nach dem Krieg zu einem führenden Konzern der europäischen Kommunikationsbranche.

Frankfurt am Main (pia) Die Vorzüge des Vermietens hatte Harry Fuld schon früh erkannt. Als Kind besaß der einzige Sohn eines wohlhabenden Frankfurter Kunst- und Antiquitätenhändlers ein hölzernes Modell der Hauptwache, das er seinen Schwestern als Wohnung für ihre Puppen überließ - gegen eine Miete von zwei Pfennigen. Nur wenige Jahre später machte sich Fuld mit einer Geschäftsidee nach demselben Prinzip selbstständig: Der junge Kaufmann gründete in Frankfurt 1899 die „Deutsche Privat-Telephon-Gesellschaft H. Fuld & Co.“, die mit der Vermietung von Haustelefonanlagen begann. Das Unternehmen entwickelte sich rasch zu einem europaweit führenden Konzern der Schwachstromindustrie. Jahrzehntelang blieb es eine der wichtigsten Firmen mit Sitz in Frankfurt.

Der Gründer Harry Fuld starb bereits am 26. Januar 1932, also vor 75 Jahren, auf der Durchreise in Zürich. Fast genau ein Jahr später, nach Hitlers „Machtergreifung“ 1933, geriet der Konzern massiv unter Druck. Als jüdisches Familienunternehmen wurde die Firma durch das Reichspostministerium und zahlreiche Behörden, darunter die Stadtverwaltung Frankfurt, boykottiert. Im Zuge der „Zwangsarisierung“ wurden Fulds Erben enteignet und der Betrieb in „Telefonbau & Normalzeit Lehner & Co.“ (T & N) umgegründet. Unter diesem Namen bestand die in den Wiederaufbaujahren erneut erfolgreiche Firma fort, bis sie ab 1981 von Bosch übernommen und 1985 in „Telenorma“ umbenannt wurde. Erst kürzlich ging deren Nachfolgegesellschaft Tenovis ganz in dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Avaya Inc. auf, das noch immer den traditionsreichen Firmensitz im Frankfurter Gallusviertel nutzt. Ganz in der Nähe erinnert heute eine Straße an Harry Fuld, mit dem die Geschichte anfing.

Eigentlich war dem begnadeten Unternehmer ein ganz anderer Lebensweg vorgezeichnet. Am 3. Februar 1879 in Frankfurt geboren, sollte Harry Fuld später in die familieneigene Kunst- und Antiquitätenhandlung J. u. S. Goldschmidt eintreten. Er absolvierte eine Banklehre in seiner Vaterstadt und volontierte dann in bedeutenden Firmen in London, Paris und Brüssel. Zum Jahreswechsel 1897/98 erreichte ihn die Nachricht, dass in der Frankfurter Kunsthandlung neben seinen Vettern kein Platz mehr für ihn sei. Fuld brauchte eine neue Geschäftsidee. Sein Schwager David Cramer gab ihm den entscheidenden Tipp: Nach amerikanischem Vorbild vermietete eine Gesellschaft in Belgien Haustelefonanlagen. Darauf war in Deutschland noch niemand gekommen. Doch Fuld erkannte sofort das Potential, das in diesem System steckte. Bisher hatte sich die Telefonie im privaten und im geschäftlichen Bereich nicht so recht durchsetzen können, weil sich die Käufer der Apparate noch mit allzu vielen technischen Schwierigkeiten herumschlagen mussten. Der Mieter einer Haustelefonanlage kaufte sich von solchen Sorgen einfach los: Gegen eine Gebühr überließ er Wartung und Reparatur seines Telefons der Vermietungsgesellschaft.

Am 13. April 1899 eröffnete Harry Fuld seine „Deutsche Privat-Telephon-Gesellschaft H. Fuld & Co.“ in Frankfurt. In einem Büroraum in der Liebfrauenstraße 6, mitten in der Stadt, saß der 20 Jahre alte Chef an einem amerikanischen Rollpult, während sein technischer Mitarbeiter Carl Lehner in einer anderen Ecke des Raumes vor sich hin tüftelte. Der rasante Aufstieg des Unternehmens begann im folgenden Jahr, als die Reichspost die Erlaubnis erteilte, Haustelefonanlagen an das amtliche Netz anzuschließen. Mit ungeheurem kaufmännischem und organisatorischem Geschick breitete Fuld innerhalb von einem Jahrzehnt sein Filialnetz über ganz Deutschland aus. Unter der Leitung von Lehner, den er schon 1900 als Teilhaber aufgenommen hatte, produzierte er inzwischen seine Fernsprechanlagen selbst. Als die Firma 1902 neue Büro- und Werkstättenräume in der Vilbeler Gasse 29 bezog, beschäftigte sie bereits 150 Mitarbeiter allein in der Produktion. Ab 1912 war das Unternehmen, zeitweise sogar mit mehreren Werken, im Frankfurter Gallusviertel ansässig.

Bald fügte Fuld der Firma Tochtergesellschaften für andere Aufgaben in der Schwachstromtechnik hinzu. Er begann 1913 mit der Produktion zentral gesteuerter elektrischer Uhren und Zeitanlagen, die als Werks- und Bahnhofsuhren („Normaluhren“) vielfach zum Einsatz kamen. Nach der Kriegs- und Inflationszeit konnte Fuld angesichts des „ungeheuren telefonischen Verkehrsbedürfnisses“ in den zwanziger Jahren das Unternehmen weiter ausbauen. Er ergänzte die Produktpalette etwa um Notruf- und Alarmanlagen sowie Warenverkaufsautomaten und stieg auch wieder ins Auslandsgeschäft ein. Der Fuldkonzern umfasste schließlich ein ausgedehntes Filialnetz und über 100 Tochtergesellschaften, als er 1928 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. An deren Spitze standen weiterhin das Stammhaus und die Fabrikationsbetriebe in Frankfurt, die rund 1.000 der insgesamt 5.000 Mitarbeiter beschäftigten.

Konzernchef Harry Fuld zog sich offiziell in den Aufsichtsrat zurück und übersiedelte nach Berlin, um dort das Börsengeschäft besser im Griff zu haben. Dennoch blieb er weiterhin unermüdlich für „sein“ Unternehmen tätig. Wenige Tage vor seinem 53. Geburtstag 1932 starb er in einem Züricher Hotel. Er erlag einem Herzschlag, den er kurz nach einem Telefonat mit der Frankfurter Firmenzentrale erlitten hatte.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 2 vom 16.01.2007

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