Eine Frankfurter Zeitung von unbestechlicher Qualität

Zum 175. Geburtstag von FZ-Gründer Leopold Sonnemann

Mit der „Frankfurter Zeitung“ hat Herausgeber Leopold Sonnemann journalistische Maßstäbe gesetzt. Die vor 150 Jahren von ihm gegründete Zeitung hat bis zu ihrem Verbot durch Hitler deutsche Pressegeschichte geschrieben. Der vor 175 Jahren, am 29. Oktober 1831, geborene Sonnemann engagierte sich für Frankfurt auch in der Stadtpolitik und als Mäzen.

Frankfurt am Main (pia) Der junge Bankier sah die Gefahren des neuen Marktes. Als schon wieder ein zweifelhaftes Eisenbahnpapier an der Börse ausgegeben wurde, griff Leopold Sonnemann zur Feder, um die Anleger zu warnen. Doch keine der Frankfurter Zeitungen wollte seinen Artikel drucken. Da kam ihm der Kollege Heinrich Bernhard Rosenthal mit seiner Idee gerade recht. Dieser verschickte schon seit einiger Zeit regelmäßig an seine Kunden einen Brief mit unabhängigen Börsen- und Handelsnachrichten, den er nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. So brachten Sonnemann und Rosenthal am 21. Juli 1856 erstmals den „Frankfurter Geschäftsbericht“ heraus. Aus dem vierseitigen Blättchen entwickelte sich im Laufe eines Jahrzehnts die „Frankfurter Zeitung“ (FZ), eine überregionale Tageszeitung von Weltruf, die bis zu ihrem Verbot durch Hitler 1943 deutsche Pressegeschichte geschrieben hat. Als erster Herausgeber und Alleinbesitzer hat Leopold Sonnemann der FZ das Gesicht gegeben.

Vor 175 Jahren, am 29. Oktober 1831, wurde Leopold Sonnemann als Sohn fränkischer Dorfjuden in Höchberg bei Würzburg geboren. Nach lokalen antisemitischen Ausschreitungen 1840 wollte die Familie nach Frankfurt übersiedeln, wo sie jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Der Vater Meyer Sonnemann ließ sich daher in Offenbach nieder und betrieb in Frankfurt eine Tuchhandlung unter dem Namen „S. H. Strauß Söhne“. Erst 1849 erhielt er endlich das israelitische Bürgerrecht in Frankfurt, und die Familie zog dorthin um. Nach dem frühen Tod beider Eltern innerhalb weniger Wochen 1853 übernahm Leopold Sonnemann die Firma, die er bald in ein reines Bankgeschäft umwandelte. Bereits 1869 hatte er ein so beachtliches Vermögen erworben, dass er die aktive Bankierstätigkeit aufgab. Ohne wirtschaftliche Sorgen konnte er sich fortan ganz seiner publizistischen und politischen Tätigkeit widmen.

Der revolutionäre Aufbruch von 1848/49 prägte Sonnemanns politisches Denken und Handeln. Zeit seines Lebens kämpfte er für einen demokratischen Staat, die freie Selbstbestimmung des Individuums und den sozialen Ausgleich. Getreu dieser Grundhaltung wirkte er auch für die Zeitung, die er 1856 gegründet hatte und im folgenden Jahrzehnt stetig ausbaute. Aus dem „Frankfurter Geschäftsbericht“ wurde bereits nach einmonatigem Erscheinen im August 1856 die „Frankfurter Handelszeitung“, eine liberale Wirtschaftszeitung von unbestechlicher Qualität, in der der Herausgeber Sonnemann u. a. Gewerbe- und Zollfreiheit forderte. Im Oktober 1858 erschien der erste politische Kommentar in dem Blatt, und mit der Umbenennung zur „Neuen Frankfurter Zeitung“ am 1. September 1859 wurde endgültig der Wandel vom Wirtschaftsfachblatt zur politischen Tageszeitung vollzogen.

In dem von nun an dreimal täglich erscheinenden Blatt verfocht Sonnemann vehement Deutschlands Einigung nicht unter Preußens Führung, sondern auf der Grundlage freier Wahlen. Nach Frankfurts Okkupation durch Preußen 1866 wurden daher auch die Redaktionsräume militärisch besetzt, und Sonnemann musste nach Stuttgart fliehen. Im Herbst zurückgekehrt, gab er seinem Blatt nochmals einen neuen Titel, unter dem es ab 16. November 1866 erschien: „Frankfurter Zeitung“. Als Herausgeber und Alleininhaber richtete er die FZ liberal und demokratisch aus – in ihrer politischen Grundhaltung wie in ihrer redaktionellen Organisation. So gab es keinen Chefredakteur, wie sich der Nationalökonom und FZ-Mitarbeiter Karl Bücher erinnerte: „Die Redaktion, zu der sich Sonnemann selbst rechnete, bildete eine autonome Körperschaft, die in ihren Konferenzen zwar über die allgemeine Richtung der Zeitung bestimmen konnte, aber jedem einzelnen Redakteur volle Freiheit in der Vertretung seiner Überzeugung gestattete (...).“

Als Stadt der FZ genoss Frankfurt bald den Ruf einer „Hochburg der Liberalen“. Dazu trug Sonnemann auch durch seine politische Tätigkeit bei. Für die Deutsche Volkspartei, die er 1868 mitbegründet hatte, zog er 1871 in den Reichstag ein, dem er – mit einer kurzen Unterbrechung – bis 1884 angehörte. Zudem war er in Frankfurt von 1869 bis 1880 und von 1887 bis 1904 Stadtverordneter. Er engagierte sich u. a. für die Verbesserung des Verkehrswesens und der Gasversorgung, die Gründung des Palmengartens und des Zoos, den Bau des Eisernen Stegs, des Hauptbahnhofs und des Osthafens sowie für den sozialen Wohnungsbau. In der Frankfurter Stiftungstradition wirkte Sonnemann auch als Mäzen. Besonders am Herzen lag ihm das Opernhaus, die heutige Alte Oper, deren Platz im Anlagenring er mitbestimmte und deren Bau er mit 10.000 Gulden unterstützte. Im Jahr 1899 gründete er den Städelschen Museumsverein, den Förderverein des Städelschen Kunstinstituts, dem er neun Jahre lang vorstand.

Aus Altersgründen zog sich Leopold Sonnemann ab 1903/04 von der FZ und aus der Öffentlichkeit zurück. Er starb am 30. Oktober 1909, einen Tag nach seinem 78. Geburtstag, in Frankfurt. Zu seinem Begräbnis auf dem Jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße versäumte es die Stadt, einen Vertreter zu entsenden, angeblich weil man „sich über die Zuständigkeit nicht im klaren gewesen“ sei. Die Maßstäbe, die Leopold Sonnemann mit seiner „Frankfurter Zeitung“ gesetzt hat, sind jedoch für die Presse bis heute Verpflichtung geblieben.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 41 vom 17.10.2006

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