Zum 50. Todestag von Walter Kolb

Der Oberbürgermeister wies Frankfurt nach dem Krieg den Weg in die Zukunft

Er war der erste frei gewählte Frankfurter Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Walter Kolb, der vor 50 Jahren starb, begegnete durch Neuaufbau der Wohnungsnot und profilierte Frankfurt als Wirtschaftszentrum. Er engagierte sich auch dafür, die Paulskirche zügig wieder zu errichten – ein Zeichen für den demokratischen Neubeginn.

Frankfurt am Main (pia) Mit dem Presslufthammer bohrte sich Walter Kolb in die Herzen der Frankfurter. Am 17. Oktober 1946 wühlte sich der erst seit kurzem amtierende Oberbürgermeister, tatkräftig unterstützt von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, durch die Schutthaufen auf dem Römerberg und eröffnete damit den ehrenamtlichen Bürgereinsatz zur Enttrümmerung der schwer kriegszerstörten Innenstadt. Seitdem steht Kolb für den Wiederaufbau und den demokratischen Neubeginn in Frankfurt am Main nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vor 50 Jahren, am 20. September 1956, erlag Walter Kolb einem Herzinfarkt. Die überwältigende Anteilnahme der Frankfurter bei seinem Tod zeugte von der außergewöhnlichen Verbundenheit der Bürger mit ihrem Stadtoberhaupt. Um der Bevölkerung die Gelegenheit zum Abschied zu geben, wurde Kolb am Samstag nach seinem Tod in den Römerhallen aufgebahrt. Etwa 40.000 bis 50.000 Trauernde defilierten an dem offenen Sarg vorbei, an dem Turner, Polizeibeamte und Feuerwehrmänner abwechselnd Totenwache hielten. Am nächsten Tag, dem 23. September 1956, säumten gar über 100.000 Menschen den letzten Weg ihres Oberbürgermeisters durch die Stadt, von seiner geliebten Paulskirche, dem Ort der Trauerfeier, bis zum Hauptfriedhof, wo Walter Kolb in einem Ehrengrab beigesetzt wurde. Bis heute ist der populäre Nachkriegs-OB in Frankfurt unvergessen. Er hat der Mainstadt den Weg in die Zukunft gewiesen.

Der 1902 in Bonn-Poppelsdorf geborene Jurist Walter Kolb wurde am 25. Juli 1946 zum Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main gewählt. Er war damit der erste frei gewählte Frankfurter Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Für das Amt qualifizierten ihn seine demokratische Gesinnung, deretwegen er in der NS-Zeit aus dem Staatsdienst entlassen und mehrfach inhaftiert worden war, und seine kommunalpolitische Erfahrung, die er seit 1945 in Düsseldorf, zuletzt als Oberstadtdirektor, bewiesen hatte. Als seine wichtigsten Ziele nannte der OB in seiner Neujahrsbotschaft für 1947 die Förderung des Wohnungsbaus und die Ankurbelung der Wirtschaft.

Kolbs Herzensanliegen aber war der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Paulskirche zur Jahrhundertfeier der Deutschen Nationalversammlung, des ersten gewählten gesamtdeutschen Parlaments, im Jahr 1948. Damit wollte der überzeugte Demokrat ein Zeichen für den politischen Neubeginn nach 1945 setzen. Dank seines unermüdlichen Engagements konnte Kolb die neue Paulskirche nach nur 14-monatiger Bauzeit pünktlich zum Jubiläum der Nationalversammlung am 18. Mai 1948 einweihen. Das in zeitgemäß vereinfachter Form wiedererrichtete Gebäude sollte künftig nicht mehr als Gotteshaus, sondern als nationale Gedenk- und Tagungsstätte, so Kolb, als „das Haus aller Deutschen“ dienen.

In den folgenden Jahren trieb der OB den Wiederaufbau der Stadt voran. Dabei blieb die originalgetreue Rekonstruktion des Goethehauses eine Ausnahme. Ansonsten hatte sich Frankfurt beim Neuaufbau des Stadtkerns den Richtlinien des modernen Städtebaus der fünfziger Jahre verschrieben, wodurch es wegweisend in der Stadtplanung wurde. Aus heutiger Sicht mag man den Identitätsverlust der Innenstadt beklagen, den dieser Kurs des Wiederaufbaus zur Folge hatte. Damals, angesichts von Kriegszerstörungen und Wohnungsnot, gab es für die Stadtregierung nur eins: „Wir haben gebaut, gebaut und noch einmal gebaut“, wie Kolb selbst einmal sagte. Bereits Ende 1954 gab es in Frankfurt mit rund 170.000 Wohnungen wieder fast genauso viele wie zu Kriegsbeginn.

Als Freund und Förderer des Sports machte sich Kolb außerdem um den Wiederaufbau von Sportstätten verdient. Das Waldstadion wurde zwischen 1953 und 1955 zur zweitgrößten Sportarena der Bundesrepublik ausgebaut. Unter Kolb avancierte Frankfurt zum Austragungsort wichtiger Sportveranstaltungen sowie zum Sitz einflussreicher Sportverbände und damit zur „Hauptstadt des bundesdeutschen Sports“. Dies entschädigte den OB zumindest ein klein wenig dafür, dass entgegen seiner Hoffnungen im Jahr 1949 Bonn - und nicht Frankfurt - deutsche Bundeshauptstadt geworden war. Zum Ausgleich für die entgangene Hauptstadtwürde hatte Kolb seitdem alles daran gesetzt, Frankfurt als Finanz- und Wirtschaftszentrum zu profilieren. Der Flughafen, die Messe sowie die 1948 hier angesiedelte Bank deutscher Länder waren seine Trümpfe beim Aufstieg zur Wirtschaftsmetropole.

Bei der Magistratswahl am 18. März 1954 wurde Oberbürgermeister Walter Kolb für zwölf Jahre wiedergewählt. Durch seinen frühen Tod im Amt, nur zweieinhalb Jahre später, konnte er selbst viele seiner Pläne und Projekte für die Stadt nicht vollenden. Doch sein Name blieb Verpflichtung für seine Nachfolger – über alle Parteigrenzen hinweg.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 36 vom 12.09.2006

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