„Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket“

Eine Ausstellung über Karoline von Günderrode zum 200. Todestag

Das Frankfurter Cronstettenstift war für einige Zeit das Zuhause Karoline von Günderrodes. Im Alter von 26 Jahren nahm sich die durch eine unglückliche Liebe an ihren Lebensidealen verzweifelnde Dichterin das Leben. Das Freie Deutsche Hochstift präsentiert zu ihrem 200. Todestag vom 28. August bis 29. Oktober eine Ausstellung im Goethe‑Museum.

Frankfurt am Main (pia) Die Freundin wusste, es ging um Leben und Tod. Susanne von Heyden sollte ihrer Vertrauten Karoline von Günderrode, die bei Bekannten in Winkel am Rhein weilte, mitteilen, dass deren Geliebter sich endgültig von ihr losgesagt hatte. „Härter als ihr eigener Tod wird ihr die Nachricht seiner verlorenen Liebe sein“, schrieb Susanne, um Aufschub bittend, damit sie Karoline in einem Gespräch vorbereiten könnte. Als ihr dies verwehrt wurde, steckte sie den Brief in einen zweiten Umschlag, den sie an Karolines Gastgeberin in Winkel adressierte, damit die Freundin die „harte“ Botschaft wenigstens nicht ganz allein erhalten würde. Karoline jedoch, sehnlichst auf eine Nachricht wartend, fing den Boten ab und öffnete die Briefe in ihrem Zimmer. Scheinbar „ganz heiter“ sagte sie bald darauf ihrer Gastgeberin adieu. Sie wollte, wie so oft, am Rhein spazierengehen. Am nächsten Morgen wurde sie tot am Ufer unter Weidenbüschen gefunden. Sie hatte sich erdolcht.

Vor 200 Jahren, am 26. Juli 1806, nahm sich die Dichterin Karoline von Günderrode das Leben. „Karoline von Günderrode zum 200. Todestag“ widmet jetzt das Freie Deutsche Hochstift eine Kabinettausstellung, die vom 28. August bis 29. Oktober im Goethe-Museum zu sehen ist. Die verantwortliche Kuratorin Doris Hopp verspricht einige bisher unbekannte Details zur Biographie der Dichterin, insbesondere zu deren Leben im Cronstettenstift in Frankfurt.

Am 11. Februar 1780 wurde Karoline von Günderrode in Karlsruhe geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters 1786 übersiedelte die Mutter mit den sechs Kindern nach Hanau. Angesichts ihrer angespannten Finanzlage entschloss sie sich, Karoline im Alter von 17 Jahren ins „von Cronstett- und von Hynspergische adelige evangelische Stift“ in Frankfurt zu geben, worauf sie aufgrund ihrer Abstammung aus einer Frankfurter Patrizierfamilie ein Anrecht ererbt hatte. Wahrscheinlich gab es allerdings nicht nur wirtschaftliche Gründe, warum die Witwe von Günderrode ihre Älteste ins Stift steckte. Offenbar sollte dadurch auch eine unpassende „Leidenschaft“ zu einem Mann unterbunden werden, wofür die Ausstellungsmacherin Doris Hopp deutliche Belege gefunden hat.

Im Frühjahr 1797 zog Karoline von Günderrode in das Stiftsgebäude am Rossmarkt, wo sie zwei Zimmer zu ebener Erde auf der Gartenseite bewohnte. Die früheren strengen Stiftsregeln, die die „Kanonissen“ zu einem frommen, eher weltfernen Leben verpflichteten, waren längst gelockert. Karoline empfing und besuchte ihre Freundinnen, ging ins Theater und zu Festen, verreiste oft für mehrere Wochen. Für immer hätte sie ihren „offenen Käfig“ (Heinrich Heym) aber nur durch eine Heirat verlassen können. Im Jahr 1804 trat die Günderrode zum ersten Mal als Dichterin an die Öffentlichkeit: Zur Ostermesse erschien ihr kleiner Band „Gedichte und Phantasien“ unter dem Pseudonym Tian, das jedoch schon nach einigen Wochen gelüftet wurde.

Bald darauf, bei einem Besuch in Heidelberg, traf Karoline von Günderrode auf einem Sommerspaziergang am Schloss den Altphilologen und Mythenforscher Georg Friedrich Creuzer. Es begann eine höchst komplizierte Liebesgeschichte, in der Creuzer und die Günderrode alle Höhen und Tiefen der Leidenschaft jenseits jeglicher Realitäten durchjagten. Creuzer, gerade erst als Professor an die Heidelberger Universität berufen, war verheiratet. Er und Karoline arrangierten heimliche Treffen und spannen absurde Pläne, von einer „Ehe zu dritt“ (mit seiner Frau Sophie als Haushälterin) bis zur Flucht nach Russland (mit Karoline in Männerkleidern). Sophie, die ihre Einwilligung in die Scheidung zweimal gegeben und doch wieder zurückgezogen hatte, war es schließlich, die handelte: Sie verließ Creuzer für einen Tag. Ihr Mann, der „Prototyp des praxisfernen Professors“, so erzählt Kuratorin Doris Hopp, „fand nicht einmal den Hausschlüssel.“ Nach einem letzten Treffen mit der Geliebten in Frankfurt im Juni 1806 brach Creuzer zusammen. In einem wachen Moment seiner ernsten Erkrankung beauftragte er einen Freund, Karoline das Ende ihrer Beziehung mitzuteilen.

Für die Günderrode war Creuzers Absage der Anlass, jedoch nicht der Grund zum Selbstmord. Karoline hatte immer davon geträumt, in einer emotional und intellektuell erfüllten Beziehung gemeinsam zum Ganzen zu streben. Creuzers Abkehr machte ihr endgültig klar, dass ihr Ideal vom Leben grundsätzlich zum Scheitern verurteilt war. Schon früh hatte sie den Wunsch geäußert, einen Heldentod zu sterben: „Nur das Wilde, Grose, Glänzende gefällt mir.“ Doch wer im Selbstmord der Günderrode die harmonische Vollendung eines Lebensentwurfs sehe, so meint die Literaturwissenschaftlerin Doris Hopp, der verkenne „die reale Katastrophe“. Zum reinen Opfer lasse sich die Günderrode aber auch nicht stilisieren. Mit ungeheurer Energie zum Tode hat sie den Dolch gegen sich selbst eingesetzt. Sie hinterließ ein schmales Werk, einige Erzählungen und Dramenversuche, besonders aber ihre beinah unwirklich schönen Gedichte. „Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket“, schrieb sie einst in einem von ihnen.

Sabine Hock

Die Ausstellung
„Karoline von Günderrode zum 200. Todestag“ des Freien Deutschen Hochstifts wird am 25. August 2006 um 11 Uhr der Presse vorgestellt. Sie ist vom 28. August bis 29. Oktober im Frankfurter Goethe-Museum, Großer Hirschgraben 23-25, 60311 Frankfurt am Main, zu sehen.
Im Begleitprogramm der Ausstellung liest am 23. September um 19 Uhr Christa Wolf aus ihrer Erzählung „Kein Ort. Nirgends“.

Weitere Informationen
Freies Deutsches Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Beatrice Humpert, Tel. 069/13880-259.

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 31 vom 08.08.2006

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