Ein europäischer Künstler aus Frankfurt

Zum 400. Geburtstag von Joachim von Sandrart

Im 17. Jahrhundert war er ein neuer Typus des Künstlers. Joachim von Sandrart, der als Gründer der deutschen Kunstgeschichtsschreibung gilt, wurde vor 400 Jahren, am 12. Mai 1606, in Frankfurt geboren. Dem berühmtesten deutschen Maler seiner Zeit widmet ab dem 12. Mai das Historische Museum eine Ausstellung, die im Holzhausenschlösschen zu sehen ist.

Frankfurt am Main (pia) Er war ein „peintre-chevalier“, ein Malerkavalier oder auch malender Ritter, weit gereist, weltgewandt und universal gebildet. Der Maler und Kunstschriftsteller Joachim von Sandrart verkörperte im 17. Jahrhundert einen neuen Typus des Künstlers. Er lebte nicht mehr wie der an eine Zunft gebundene Handwerker, der sich nach seiner Lehr- und Gesellenzeit an einem festen Ort niederließ und dort seine Werkstatt gründete. Sandrart, im selben Jahr wie Rembrandt geboren, reiste durch Europa, verkehrte mit zahlreichen anderen Künstlern ebenso wie an weltlichen und geistlichen Höfen. Stets mit fürstlichen Aufträgen überhäuft, porträtierte er sogar Papst und Kaiser. Er stattete zahlreiche Paläste, Kirchen und Klöster aus und malte dafür, obwohl selbst Calvinist, die glorreichsten Marienbildnisse. Mit der „Emsigkeit“ einer „begierigen Kunstbiene“, wie es in einem zeitgenössischen Lebenslauf heißt, nahm Sandrart unterwegs seine Eindrücke auf. Diesen Sammlerfleiß nutzte er auch für sein schriftstellerisches Hauptwerk, die 1675 erschienene „Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlereykünste“, womit er die deutsche Kunstgeschichtsschreibung begründete.

Vor 400 Jahren, am 12. Mai 1606, wurde Joachim von Sandrart in Frankfurt geboren. Der Sohn niederländischer Glaubensflüchtlinge zeigte schon früh künstlerisches Talent. Bereits seine ersten Kupferstiche fanden die Anerkennung von Matthäus Merian d. Ä. Der Vater, ein wohlhabender Kaufmann, ermöglichte dem Jungen eine hervorragende Ausbildung, zunächst zum Zeichner und Kupferstecher in Frankfurt, Hanau, Nürnberg und Prag, wo sein Meister Aegidius Sadeler jedoch zur Malerei riet. Spätestens 1625 kam Sandrart daher in die Lehre bei dem Caravaggio-Schüler Gerard van Honthorst in Utrecht, wo er Rubens kennen lernte. Nach einem längeren Aufenthalt am englischen Hof in London reiste er 1629 über Frankfurt weiter nach Italien. Sechs Jahre lang lebte er in Rom, wo er erste Erfolge als Porträtist an der Kurie errang.

Im Jahr 1635 entschloss sich Sandrart zur Heimkehr. Von seinen Frankfurter Freunden freudig begrüßt, avancierte Sandrart hier bald zum vielbeschäftigten Porträtisten. Auf Vermittlung der kunstsammelnden Kaufmannsfamilie de Neufville heiratete er 1637 die Juwelierstochter Johanna von Milkau. Schon bald nach der Hochzeit bewog den Maler ein schauerliches Erlebnis, die von den Folgen des Dreißigjährigen Kriegs geplagte Stadt Frankfurt wieder zu verlassen: Sein Schüler Matthäus Merian d. J. wurde von hungrigen Bauern zur Schlachtbank geschleift und konnte sich nur mit Mühe befreien. Sandrart floh daraufhin „samt den Seinigen“ nach Amsterdam.

Von Amsterdam, wo der weiterhin äußerst erfolgreiche Maler auch Rembrandt begegnete, zog Sandrart 1645 auf das Gut Stockau bei Ingolstadt. Selbst als Gutsherr blieb er unermüdlich malerisch tätig, und auch seine ausgedehnten Reisen setzte er fort. Um 1649/50 hielt er sich etwa in Nürnberg auf, wo er sein berühmtes Kolossalgemälde des Friedenskongresses für das Rathaus schuf, und 1651 berief ihn Kaiser Ferdinand III. nach Wien, um die Mitglieder der kaiserlichen Familie zu porträtieren. Weil der Künstler keine Hoffnung mehr auf einen „Leibs-Erben“ hatte, verkaufte er 1660 sein Gut und übersiedelte nach Augsburg. In zweiter Ehe mit der Tochter eines Nürnberger Ratsherrn verheiratet, ließ sich Sandrart 1674 in der fränkischen Reichsstadt nieder. Seitdem widmete er sich vornehmlich seiner schon früher begonnenen kunstschriftstellerischen Tätigkeit.

In Nürnberg und Frankfurt erschien 1675 Sandrarts bahnbrechendes Hauptwerk: „Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlereykünste“, ein gewaltiges Lehrgebäude, in dem der Autor alles zusammengefasst hat, was die Künste betrifft und was ein angehender Künstler wissen sollte. Darin lieferte Sandrart auch Berichte über Leben, Werk und Technik der bildenden Künstler vom Altertum bis zu seiner Zeit, die für die Kunstgeschichte bis heute wertvoll sind. So hat er zu den altdeutschen Meistern wie Dürer, Cranach und Altdorfer wichtige, inzwischen verlorene Quellen zusammengetragen und dadurch der Nachwelt überliefert. Matthias Grünewald, den Schöpfer des Isenheimer Altars, hat er wiederentdeckt und unter diesem und nicht seinem wirklichen Namen Mathis Gothardt bzw. Neithardt bekannt gemacht. Erstmals wies er auch auf die Bedeutung des ebenfalls aus Frankfurt stammenden Meisters Adam Elsheimer hin. Der Erfolg der „Academie“ in der Kunstwelt veranlasste Sandrart zu einem „Zweiten Hauptteil“ (1679) und zu einer gekürzten lateinischen Fassung (1683), die zur Verbreitung des Werks im Ausland bestimmt war.

Am 14. Oktober 1688 starb Joachim von Sandrart in Nürnberg. Anders als sein kunstgeschichtliches Werk geriet sein malerisches Schaffen bald in Vergessenheit. Ab dem 12. Mai, seinem 400. Geburtstag, erinnert erstmals eine Ausstellung des Historischen Museums im Holzhausenschlösschen der Frankfurter Bürgerstiftung nicht nur an den Kunsthistoriker, sondern auch an den Maler Joachim von Sandrart, einen „europäischen Künstler aus Frankfurt“.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 17 vom 02.05.2006

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