Der König von Kronberg
Zum 100. Todestag des Frankfurter Malers Anton Burger
Mit dem Tod von Anton Burger vor 100 Jahren, am 6. Juli 1905, endete die Blütezeit der Kronberger Malerkolonie, deren unbestrittener Mittelpunkt der in Frankfurt geborene Künstler war. Burger, eine der wichtigsten Malerpersönlichkeiten der Region, blieb stets auch seiner Vaterstadt treu. Viele seiner Werke zeigen Ansichten aus dem alten Frankfurt.
Frankfurt am Main (pia) Als Städelschüler sollte Anton Burger brav religiöse Motive zeichnen, wie es der Stil der Akademie unter der Leitung des Nazareners Philipp Veit verlangte. Doch der Junge setzte seine Heiligen nicht in idealisierte Landschaften, sondern einfach mitten in die Gassen der Frankfurter Altstadt, die er von klein auf kannte wie seine Westentasche. Als Städeldirektor Veit diese Bilder sah, meinte er, Burger solle die Personen ruhig weglassen - das „Drumrum“ sei wirklich gut. Der Lehrer hatte damit das eigentliche Talent des jungen Mannes „entdeckt“. Anton Burger ließ sich nicht in die Enge eines Ateliers sperren. Er wollte draußen, in der freien Natur, seinen eigenen Weg in der Kunst gehen. Der Pfad führte den gebürtigen Frankfurter schließlich in das idyllische Taunusdörfchen Kronberg, wo er die bekannte Malerkolonie mitbegründete.
Mit dem Tod von Anton Burger vor 100 Jahren, am 6. Juli 1905, endete die Blütezeit der Kronberger Malerkolonie. Der Meister, der im Alter zwar hoch geachtet und geliebt, aber krank und nur „notdürftig gesichert“ in seinem Kronberger Haus gelebt hatte, besaß zuletzt kein einziges seiner Bilder mehr. Sämtliche seiner Werke, meist Ansichten aus dem alten Frankfurt und dem Taunus, hatte er verkauft. In den altfrankfurter Bürgerhäusern, und zwar nicht nur „bei reiche Leut“, gehörte es damals fast zum guten Ton, auch „e Burgerche“ zu besitzen.
Anton Burger wurde am 14. November 1824 als Sohn eines Handwerksmeisters in der Alten Gasse mitten in Frankfurt geboren. Wie der Vater sollte er Weißbinder werden, durfte aber neben der Lehre bereits Zeichenunterricht, seit 1838 am Städelschen Kunstinstitut, nehmen. Im Jahr 1842 begann er sein Studium an der Städelschule. In dieser Zeit lernte er seine späteren Malerfreunde Jakob Fürchtegott Dielmann und Philipp Rumpf kennen, die in privaten Ateliers am Städel arbeiteten. Von einem Studienaufenthalt in München kehrte Burger angesichts der politischen Ereignisse im Frühjahr 1848 zurück, um sich in seiner Vaterstadt „mehr aus Kampfeslust als Parteieifer“ an den Barrikadenkämpfen zu beteiligen.
Während der folgenden „glücklichen Frankfurter Jahre“ führte Burger mit seinem heiteren Temperament ein aktives und geselliges Leben in Künstlerkreisen. Auf Studienreisen kam er nach Paris, Düsseldorf und in die Niederlande. Im Jahr 1858 zunächst nach Frankfurt heimgekehrt, zog er bald darauf „nach dem benachbarten Gebirgsdorfe Cronberg hinüber“, um, wie er sagte, „den Zerstreuungen der Geselligkeit zu entgehen“.
In Kronberg logierte Burger zunächst im Gasthaus „Zum Schwarzen Adler“, wo bereits sein Malerfreund Dielmann lebte. Auch der Kollege Philipp Rumpf siedelte bald nach Kronberg über. So wurde das Dorfgasthaus zum Zentrum eines Künstlerkreises. Der stattliche Wirt Renker musste erleben, wie die Maler sich bei ihm einnisteten, diskutierten, zechten und die Wände seines Saales bemalten. Dafür genoss der Wirt die Ehre, öfter einmal porträtiert zu werden. Mit dem Gemälde „Adlerwirt Renker“ (1861) errang Burger auf der Internationalen Kunstausstellung in München 1869 die Goldene Medaille, seine erste Auszeichnung überhaupt.
Als unbestrittener Mittelpunkt der Kronberger Malerkolonie entfaltete Burger eine rege Tätigkeit. Obwohl er fast 50 Jahre lang in dem Taunusort lebte und arbeitete, blieb er stets auch dem alten Frankfurt treu. Aus der nahen Mainstadt, wo die potentiellen Käufer für seine Bilder wohnten, bezog er nicht nur seine Honorare, sondern auch viele seiner Motive. Er malte die Altstadt so, wie er sie im Gedächtnis abgespeichert hatte: nicht realistisch, mit leichtem Pinselstrich, in altmeisterlich braun-goldenen Farbtönen. Die moderne Stadtentwicklung ignorierte er einfach. So setzte er dem Domturm nach dem Brand von 1867 beharrlich das alte Kuppeldach und niemals die neogotische Spitze auf. Manche Motive gefielen Burger und seinen Kunden so gut, dass er sie immer wieder malte. Seine bekannte Ansicht von der Judengasse etwa existiert in mindestens sieben Varianten.
Seit 1877 residierte Burger in Kronberg im eigenen Haus, wo er ein florierendes Schüleratelier unterhielt. In späteren Jahren wurde der heimliche „König von Kronberg“ manchmal sogar von einer echten Kaiserin besucht. Viktoria von Preußen, die „Kaiserin Friedrich“, die sich Kronberg 1888 zum Witwensitz erwählt hatte, kam tatsächlich als Kollegin zu Burger, denn sie war eine ausgebildete und talentierte Malerin. Um diese Zeit lebten die Künstler in Kronberg nicht mehr in dörflicher Abgeschiedenheit. Viele Frankfurter Großbürger hatten inzwischen hier ihre prächtigen Sommervillen errichtet. Bei Burgers Tod 1905 war das eigentliche Flair des ländlichen Künstlerortes somit längst dahin.
Sabine Hock
Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 25 vom 28.06.2005