Gründonnerstag vor 60 Jahren war der Krieg vorbei

Zwei US-Divisionen befreiten die „Frontstadt Frankfurt“ von der Nazi-Herrschaft

Sechs Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht war die Nazi-Diktatur am Main bereits vor Ostern 1945 zu Ende. Am 26. März rückten die ersten amerikanischen Panzer über Sachsenhausen ins Stadtzentrum vor, am 29. März kapitulierte die Stadt – an Gründonnerstag vor 60 Jahren war die „Frontstadt Frankfurt“ endgültig befreit.

Frankfurt am Main (pia) „Am Montag, den 26. März 1945, gab es schon sehr früh Alarm“, erinnerte sich Leni B., eine damals 36-jährige städtische Beamtin, die mit ihren Eltern in Sachsenhausen lebte. „Wir gingen in den Luftschutzkeller unter den Trümmern des Mühlbergkrankenhauses. Wir hatten kein Licht mehr und kein Radio, wussten also nicht, was sich in und um Frankfurt tat. Gegen elf Uhr gab es Vorentwarnung. Zu diesem Tag war eine Sonderration Butter zur Verteilung aufgerufen. Ich wollte daher gleich nach der Vorentwarnung in ein kleines Lebensmittelgeschäft in der Nähe. Im Hühnerweg kam mir ein Panzer entgegen, den ich passieren lassen musste. Auf der Vorderseite war ein großer orangefarbener Stern. Mein erster Gedanke war: ’Die Russen! Ein roter Stern!‘ Ich verharrte wie versteinert am Straßenrand. Einer der Soldaten, die mit ihren Gewehren oben auf dem Panzer standen, warf mir ein Brötchen zu, ein anderer ein Päckchen Zigaretten. Erst als sie vorbei waren, fasste ich mich und las alles auf. Im Dauerlauf rannte ich in den Krankenhauskeller zurück. Nachdem mein Vater die Zigaretten gesehen hatte, sagte er: ’Das sind Amerikaner gewesen!‘ Das Brötchen brach ich auf. Es war innen so weiß, wie wir uns kein Brot mehr vorstellen konnten.“

Mit der amerikanischen Besetzung vor 60 Jahren – in den letzten Märztagen des Jahres 1945 – ging für Frankfurt und die Frankfurter der Zweite Weltkrieg zu Ende. Am 22. März 1945 war es zwei Bataillonen der 3. US-Armee gelungen, den Rhein bei Oppenheim zu überschreiten. Seitdem rückten die amerikanischen Truppen zügig auf die Mainstadt vor. Die Menschen erlebten das „Warten“ auf die Amerikaner fast wie ein Fieber, in dem niemand so genau wusste, wie er sich verhalten sollte. Bis vor kurzem hatte die NS-Führung noch ekstatische Befehle zur Verteidigung der „Frontstadt Frankfurt“ herausgegeben. Nun forderte Gauleiter Sprenger die Bevölkerung auf, die Stadt zu räumen. Während aber die meisten Bewohner einfach blieben, flohen die Hoheitsträger der NSDAP und die Gestapo, nicht ohne vorher ihre Gebäude, Akten und auch Lebensmittellager in Brand gesteckt zu haben. Am 25. März 1945 sprengten deutsche Pioniere die Mainbrücken.

Am Tag darauf besetzten die Kampftruppen der 5. US-Infanteriedivision und der 6. US-Panzerdivision, von Darmstadt kommend, zunächst Sachsenhausen, ohne hier – wie fast überall im Rhein-Main-Gebiet auch – auf nennenswerten militärischen Widerstand zu stoßen. Um 17 Uhr drangen sie über die unzureichend gesprengte Wilhelmsbrücke (die heutige Friedensbrücke) in die Innenstadt vor. Erst nachdem sie die deutsche Standortkommandantur in der Taunusanlage durch gezielten Artilleriebeschuss am 27. März ausgeschaltet hatten, nahmen die amerikanischen Truppen das Stadtgebiet völlig ein. Lt. Colonel William H. Blakefield ließ das Gebäude der Metallgesellschaft am Reuterweg beschlagnahmen, wo sich unverzüglich die Militärregierung zu etablieren begann. Bereits am 28. März ernannte Blakefield kurzerhand den politisch unbelasteten Journalisten Wilhelm Hollbach zum Amtierenden Bürgermeister der Stadt. Frankfurts endgültige Kapitulation am Gründonnerstag, den 29. März 1945, besiegelte das Kriegsende für die Stadt – fast sechs Wochen vor dem offiziellen Kriegsende in Europa.

Doch bot Frankfurt in jenem Frühling 1945 ein trauriges Bild. Seit den schweren Luftangriffen vom März 1944, bei denen unter anderem die gesamte gotische Altstadt in Schutt und Asche gesunken war, war die einst so stolze Mainstadt nur noch eine riesige Trümmerwüste. „In diesen Tagen, als für Frankfurt der Krieg zu Ende war,“ schrieben später die Journalisten Madlen Lorei und Richard Kirn, „als endlich keine Sirene mehr heulte und die Waffen verstummt waren, lag die Stadt wie erstorben in ihren Trümmern. Es fuhr keine Eisenbahn, keine Tram, kein Postkasten wurde geleert, alle Telefone waren tot. Ein einziges Ruinenfeld waren Altstadt und das, was man City nennt, die Gegend um die Hauptwache, ein wüstes Steingebirge, in dem sich Einheimische kaum noch zurechtfanden. Die Fest-halle war so hohl wie das Kolosseum in Rom. Längst spielte kein Kino mehr. Vom Ufa-Palast am Eschenheimer Turm leuchtete die rote Vierkant-Nase des Clowns Charlie Rivel, dahinter war nichts als Schutt. (...) Alles lag erstarrt. Die Stadt atmete noch, aber sie atmete wie ein Herzkranker, dem man gesagt hat: ’Atmen Sie nur flach.’“

Bald aber erhob sich die Stadt wie Phönix aus der Asche. In einer Bilanz der ersten Nachkriegswochen konnte die „Frankfurter Presse“, das „Alliierte Nachrichtenblatt“, am 12. Juli 1945 zufrieden feststellen, dass „schon viel geschafft worden“ sei. Zu den „Fortschritten der vergangenen Wochen“, die „die Bürger Frankfurts mit Zuversicht in die Zukunft blicken“ ließen, zählte die Zeitung die Entnazifizierung der Stadtverwaltung, die Spendensammlung für Rückkehrer aus Konzentrationslagern, die Wiederaufnahme von Bahnverkehr, Bank- und Postbetrieb, den Sendebeginn von „Radio Frankfurt“ sowie die bevorstehende Eröffnung von Schulen und Gerichten. Und schon suchten die Frankfurter auch wieder die Abwechslung vom einkehrenden Alltag. Etwa bei einem Besuch im Zoo, der am Sonntag, den 24. Juni 1945, unter der neuen Leitung von Dr. Bernhard Grzimek wiedereröffnet worden war. Oder bei dem ersten Fußballspiel in der amerikanischen Besatzungszone am 8. Juli 1945, das mit 7:1 Toren für den Frankfurter Fußballsportverein gegen den Fußballclub Union Niederrad ausging. Frankfurt atmete wieder etwas tiefer …

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 11 vom 22.03.2005

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