Ein europäischer Wissenschaftler der Goethezeit

Zum 250. Geburtstag von Samuel Thomas Soemmerring

Frankfurt war seine geistige und soziale Heimat. Der vor 250 Jahren, am 28. Januar 1755, in Thorn an der Weichsel geborene Samuel Thomas Soemmerring war einer der bedeutendsten Gelehrten der Goethezeit. Auch als Erfinder der Telegrafie ging er in die Geschichte ein. Seit 1795 arbeitete der vielseitige Wissenschaftler und Forscher als Arzt in der Mainstadt.

Frankfurt am Main (pia) Zu seinen Lebzeiten war Samuel Thomas Soemmerring europaweit berühmt. Seinen wissenschaftlichen Ruf begründete er als Anatom mit den grundlegenden Werken „Vom Baue des menschlichen Körpers“ und „Abbildungen der menschlichen Sinnesorgane“, die größtenteils in Frankfurt entstanden und auch erschienen sind. Für Aufsehen aber sorgte der vielseitig interessierte Arzt und Naturgelehrte etwa mit Schriften über „die Schädlichkeit der Schnürbrüste“ und gegen die Anwendung der Guillotine. Auch als Erfinder machte Soemmerring spektakuläre Experimente. So ließ er den ersten Freiballon in Deutschland aufsteigen (1783), und im Jahr 1809 entwickelte er den elektrochemischen Telegrafen.

Vor 250 Jahren, am 28. Januar 1755, wurde Samuel Thomas Soemmerring in Thorn an der Weichsel geboren. Schon während seines Medizinstudiums in Göttingen ab 1774 spezialisierte sich der Arztsohn auf die Anatomie. Seine Dissertation „Über die Basis des Gehirns und den Ursprung der Hirnnerven“ (1778) revolutionierte die Hirnforschung und ließ ihn blitzartig zum angesehensten Anatomen seiner Zeit aufsteigen. Nach einer ausgedehnten Studienreise durch die Niederlande, England und Schottland nahm er 1779 einen Ruf als Professor für Anatomie an das Collegium Carolinum in Kassel an. Als im Sommer 1780 ein Elefant aus der landgräflichen Menagerie tödlich verunglückte, durfte Soemmerring das Tier sezieren und präparieren. Den Elefantenschädel lieh er später zu Studienzwecken an Goethe aus, der sogar eigenhändig Kupferstiche davon anfertigte. Soemmerring und Goethe hatten sich bei einem Besuch des Dichters in Kassel kennen gelernt und standen seitdem in geistigem Austausch. Auch zu zahlreichen anderen Größen der Zeit pflegte Soemmerring rege Kontakte. So fühlte sich etwa Alexander von Humboldt „dem großen Zergliederer (...) in dankbarer Verehrung und Freundschaft“ verbunden.

Seit 1784 lehrte Soemmerring als Professor der Anatomie und Physiologie an der Universität Mainz. Doch aus persönlichen und politischen Gründen zog es den nunmehrigen Hofrat immer öfter in das nahe gelegene Frankfurt. Am 6. März 1792 heiratete er hier Margaretha Elisabetha Grunelius, seine geliebte „Betty“, die aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie der Stadt stammte. Zur Hochzeitsfeier erschienen so außergewöhnliche Gäste wie der Weltumsegler Georg Forster, der ein Jugendfreund des Bräutigams war. Als das junge Ehepaar aus den Flitterwochen zurückkehrte, war Mainz französisch besetzt. Soemmerring nahm daher seinen Wohnsitz in Frankfurt, obwohl er den Mainzer Lehrstuhl erst 1797 endgültig aufgab.

Die Bürgerstadt am Main wurde Soemmerring bald zur geistigen und sozialen Heimat. Spätestens seit 1795 wirkte er hier als praktischer Arzt. Seine Patienten kamen aus führenden Frankfurter Familien wie Bethmann, Brentano und Gontard. Die Bankiersgattin Susette Gontard war die beste Freundin seiner Frau Betty und gab dem zweiten Kind der Soemmerrings ihren Namen. Durch Susette lernte der Arzt 1796 auch Hölderlin kennen, den damaligen Hauslehrer bei Gontards, der zunächst Soemmerrings Patient und bald sein Freund wurde. Zusammen mit dem Kollegen Georg Philipp Lehr setzte Soemmerring, trotz wütender Proteste aus der Ärzteschaft, 1801 die Pockenschutzimpfung in Frankfurt durch.

Nach dem Tod seiner Frau 1802 entschloss sich Soemmerring, eine der vielen ehrenvollen Berufungen, die ihn zu allen Zeiten erreichten, anzunehmen. So ging er als Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1805 nach München. Als wichtigstes Ergebnis seiner Münchner Forschungen stellte er 1809 den elektrochemischen Telegrafen vor, dessen Einführung auf breiter Basis allerdings zunächst an noch ungelösten Problemen der Kabelisolation scheiterte.

Aus gesundheitlichen Gründen kehrte Soemmerring 1820 nach Frankfurt zurück, wo er am Aufbau der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und des Physikalischen Vereins teilnahm. Zu seinem 50-jährigen Doktorjubiläum am 7. April 1828 wurde er von der wissenschaftlichen Welt gefeiert. Aus diesem Anlass wurden zu seinen Ehren sogar eine Gedenkmedaille geprägt und ein Preis gestiftet. Goethe widmete „seinem erprobten Freunde und Studiengenossen Soemmerring an dessen Jubeltag (...) in (...) treuer Anhänglichkeit“ ein elegantes Lederetui mit vier Silbermedaillen.

In der kommenden Zeit nahmen Soemmerrings Kräfte merklich ab. Um auf dieser Erde vollkommen glücklich gewesen zu sein, so vertraute er seinem Sohn an, fehle ihm nichts als ein sanfter Tod. Am 2. März 1830, während ihn im Garten seines Schwagers am Main die Mittagssonne beschien, starb Samuel Thomas Soemmerring „mit ruhig freundlicher Miene“. Sein Nachlass befindet sich in wesentlichen Teilen in der Frankfurter Universitätsbibliothek. Um die Edition und Erforschung von Soemmerrings Werk kümmert sich eine eigene Forschungsstelle in Mainz.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 2 vom 18.01.2005

Seitenanfang