Ein Offenbacher in Ebbelwoi-Chicago

Zum 100. Geburtstag von Joseph Offenbach

Als Vater Scholz in der Fernsehserie „Die Unverbesserlichen“ wurde er populär, die Rolle seines Lebens aber war der „Datterich“. Ihn spielte er in dem gleichnamigen Stück, das 1962 am Frankfurter Schauspiel mit großem Erfolg inszeniert wurde. Vor 100 Jahren, am 28. Dezember 1904, wurde Joseph Ziegler, der sich nach seiner Geburtsstadt Offenbach nannte, geboren.

Frankfurt am Main (pia) Eigentlich sollte Joseph Offenbach in Tahiti drehen, aber da wurde er von Harry Buckwitz nach Frankfurt geholt. Der Schauspieler wollte dem Generalintendanten der Städtischen Bühnen nicht wieder, wie schon einmal, absagen. Außerdem reizte ihn die angebotene Rolle: der Datterich. Für die Titelfigur der darmstädtischen Posse aus der Biedermeierzeit erwies er sich als Idealbesetzung: „Joseph Offenbach ist Datterich. Er ist es vollgültig und unüberbietbar.“ So notierte die Kritik nach der Premiere am 10. August 1962. Nicht zuletzt dank einer Fernsehaufzeichnung jener hoch gelobten Frankfurter Inszenierung ist Offenbach in der Rolle seines Lebens unvergessen. Wie so oft spielte er einen armen Teufel und Außenseiter, immer auf dem schmalen Grat zwischen Kleinbürger und Dämon, der letztlich ungeläutert bleibt. Schon war er also der Unverbesserliche, wie später als Vater Scholz in der Fernsehserie, die ihn endgültig populär machte.

Vor 100 Jahren, am 28. Dezember 1904, wurde Joseph Ziegler, der sich erst später nach seiner Geburtsstadt Offenbach nannte, geboren. In einer der vielen Lederwarenfabriken seiner Heimatstadt absolvierte er ab 1919 eine Lehre als Feintäschner, um dann fünf Jahre lang als Geselle und Mustermacher für Taschen und Koffer zu arbeiten. In seiner Freizeit wirkte er in Laienspielgruppen mit. Bei einem Auftritt als Franz Moor in den „Räubern“ saßen eines Tages ein paar Schauspieler aus Frankfurt im Saal, die eigentlich in die so oft bespöttelte Nachbarstadt gekommen waren, um sich über die dortige „Hinrichtung Schillers“ lustig zu machen. Statt dessen entdeckten sie den jungen Ziegler für die Bühne. Nach einer kurzen Sprechausbildung in Frankfurt erhielt er 1927 sofort sein erstes Engagement am Stadttheater Zwickau.

Über eine Zwischenstation in Heidelberg kam der Schauspieler 1931 an das Nationaltheater in Mannheim, wo damals bekannte Kollegen engagiert waren, wie Willy Birgel, Carl Raddatz, Bum Krüger - und drei andere Herren namens Ziegler. Als er sich als Ziegler IV im Theaterbüro vorstellte, stöhnte der Intendant Herbert Maisch auf: „Das geht nicht! Wo sind Sie geboren?“ So wurde dem „Neuen“ kurzerhand der Name seiner Geburtsstadt als Künstlername verpasst: Joseph Offenbach. Dabei ist er dann geblieben.

Zehn Jahre lang spielte sich Offenbach durch sämtliche Komödien und Operetten auf der Mannheimer Bühne. 1941 ging er dann an das Staatstheater München, wo er endlich auch Charakterrollen spielen konnte. Zugleich bekam er sein erstes Angebot vom Film, für den Streifen „Einmal der liebe Herrgott sein“ mit Hans Moser (1942), dem rasch weitere folgten.

In der ersten Nachkriegszeit, als die meisten Theater noch in Trümmern lagen, tingelte Offenbach mit einer kleinen Wanderbühne über das bayerische Land, zusammen mit Fritz Rémond, der ihn später auch an sein Kleines Theater im Zoo in Frankfurt holte. Doch zunächst wurde Offenbach 1946 an das Hamburger Schauspielhaus berufen, dessen Ensemble er zwei Jahrzehnte lang treu blieb. Aufgrund seines seltenen Talents, selbst aus der kleinsten Charge einen ganzen Menschen zu machen, wurde er als Darsteller nicht nur von seinem Intendanten Gustaf Gründgens geschätzt.

Seit dem „Datterich“ von 1962 gastierte Offenbach auch immer wieder gern in Frankfurt, im „Ebbelwoi-Chicago“, wie er selbst die Stadt liebevoll nannte: „Der Ebbelwoi ist noch da, aber das alte Frankfurt nicht mehr.“ Ab 1966 gehörte er vorübergehend sogar fest zum Ensemble der Städtischen Bühnen; daneben lehrte er an der Frankfurter Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Getreu seinem Bekenntnis der Liebe zu den „skurrilen Typen“ zählten zu seinen wichtigsten Rollen jener Jahre etwa Molières Geiziger, Hauptmanns Schluck und Zuckmayers Hauptmann von Köpenick. Dabei folgte er stets seinem Grundsatz, dass er die Heimatsprache nur in klassischen Rollen vergesse. Selbst sein Schlesisch, Sächsisch oder Berlinerisch war immer hessisch gefärbt.

Seinen 65. Geburtstag 1969 feierte Joseph Offenbach als Schneider Wibbel auf der Bühne von Rémonds Kleinem Theater im Zoo in Frankfurt. Laut seiner persönlichen Statistik, die er in Form einer einfachen Strichliste führte, hatte er bis zu diesem Tag in 478 Rollen genau 7.508-mal auf der Bühne gestanden, in 119 Filmen und 57 Fernsehspielen mitgewirkt. Auch aus dem Hörfunk war er bekannt. Beim breiten Publikum beliebt war er spätestens seit seiner Rolle neben Inge Meysel in der Fernsehserie „Die Unverbesserlichen“, die seit 1965 einmal jährlich am Muttertag gesendet wurde. Nach einem Herzinfarkt starb Joseph Offenbach am 15. Oktober 1971 in Darmstadt.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr.49 vom 14.12.2004

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