Vor 60 Jahren: Die Altstadt im Feuersturm

Eine Veranstaltungsreihe erinnert an die Zerstörung des alten Frankfurt

Die ersten Luftangriffe der Alliierten auf Frankfurt hatten das Zentrum Frankfurts mit der einzigartigen gotischen Altstadt noch weitgehend verschont. Doch den Angriffen im März 1944, vor allem dem verheerenden vom 22. März, hielt sie nicht stand. Im Bombenhagel kamen 1.001 Menschen ums Leben. Fast genau ein Jahr später war der Krieg für Frankfurt vorbei.

Frankfurt am Main (pia) Mitten auf der Alten Brücke blieben Fried Lübbecke und seine Frau stehen. Sie blickten zurück auf die sterbende Stadt. Der Kunsthistoriker, der jahrelang für den Erhalt von Frankfurts einzigartiger Altstadt gestritten hatte, musste nun mit ansehen, wie sie unterging: „Eine himmelhohe Feuerwolke treibt über den Dächern zum Main, getrieben vom Feuersturm. Der klingt wie tiefer, rauschender Orgelton. (...) Es heult, kracht, knallt, knattert, pfeift, rasselt, knackt (...), brüllt und paukt - eine satanische Symphonie. (...) So hell ist die mondlose Nacht, dass ich die Uhr bequem ablesen kann. Es ist genau zehn Uhr dreißig. (...) Die Häuser am Mainkai (...) stürzen zusammen, verschwinden wie Kulissen. Der tosende Lärm ringsum ist so ungeheuer, dass man ihren Fall überhaupt nicht hört. Nun steht der Dom hoch und frei über dem Main (...). Bis zur ersten Galerie des Turmes wirbeln die Flammen empor. Die Spitze verschwindet in waberndem Qualm. (...) Fast allein bleiben wir auf der Brücke - wohl eine Stunde. Wo sind nur die Menschen geblieben?“

Vor 60 Jahren, im März 1944, wurde das alte Frankfurt durch alliierte Luftangriffe völlig zerstört. Daran erinnert sich die Stadt nun in einer Veranstaltungsreihe. Mit einer Gedenkstunde im Kaisersaal am 23. März um 18 Uhr eröffnet Oberbürgermeisterin Petra Roth die Ausstellung „März 1944 - Frankfurt im Bombenkrieg“, die das Institut für Stadtgeschichte im Karmeliterkloster bis zum 2. Mai zeigt. Zu der Ausstellung ist ein Begleitbuch von Evelyn Hils-Brockhoff und Tobias Picard erschienen, das die Kriegsereignisse in Zeitzeugenberichten und Bilddokumenten veranschaulicht. Darin sind u. a. bisher unveröffentlichte Farbfotografien des zerstörten Frankfurt zu sehen, die das Institut erst kürzlich erwerben konnte.

Nachdem der Luftkrieg mit dem deutschen Angriff auf Rotterdam am 14. Mai 1940 begonnen hatte, flogen bald britische Bomber auch Frankfurt an. Am 4. Juni 1940 erlebte die Stadt den ersten Luftangriff, bei dem am Rebstock und in Nied elf Menschen umkamen. Noch waren die eher vereinzelten Angriffe eine Sensation: Am Morgen danach sammelten Schuljungen die Splitter der Geschosse auf, und ganze Scharen von Schaulustigen pilgerten zu bombengeschädigten Häusern. Während bei den Flächenbombardements ab 1942 andere deutsche Städte wie Lübeck, Köln und Hamburg in Schutt und Asche fielen, munkelte man in Frankfurt: „Frankfurt werden sie schonen, denn in Frankfurt wollen sie wohnen.“ Zugleich wurden aber die Luftschutzräume besser ausgebaut und ab dem 12. August 1943 verstärkt Frauen und Kinder evakuiert.

Nur wenige Wochen später, in der Nacht vom 4. Oktober 1943, starben bei einem Großangriff, der vor allem die östlichen Stadtgebiete schwer schädigte, 587 Menschen. In den nächsten Monaten gab es drei weitere Großangriffe. Doch das Zentrum Frankfurts mit der gotischen Altstadt blieb noch weitgehend verschont. Bei einem erneuten Luftangriff am Abend des 18. März 1944 wurde zunächst die östliche Altstadt vernichtet. Das war jedoch nur ein Vorspiel für den verheerendsten der drei „Märzangriffe“, der nur vier Tage später folgte. An jenem Mittwochabend lag eine unheimliche Stille über der Stadt. Völlig überraschend setzte gegen 21.40 Uhr das Bombardement ein, denn die Luftabwehr war durch einen Scheinangriff auf Kassel getäuscht worden. Erst fünf Minuten später wurde der Sirenenalarm ausgelöst. Innerhalb einer knappen Stunde warfen etwa 800 britische Flugzeuge ihre Last, nach amtlichen englischen Angaben rund 500 Luftminen, 3.000 schwere Sprengbomben und 1,2 Millionen Brandbomben, auf die Stadt.

In dieser Nacht ging das alte Frankfurt unter. Im Feuersturm kamen 1.001 Menschen ums Leben. Es hätte noch viel mehr Opfer gegeben, wenn nicht die Keller der Altstadt durch Mauerdurchbrüche miteinander verbunden gewesen wären. Viele der unterirdischen Fluchttunnel mündeten mitten auf dem Römerberg, wo sich in der Nacht des Infernos Tausende aus den Luftschutzräumen ins Freie drängten. Zum Schutz vor der Gluthitze wurden die Menschen dort von der Feuerwehr mit vom Main herauf gepumptem Wasser durchnässt und durch das Fahrtor zum Ufer geschleust. Dabei wurde das Haus Wertheim am Fahrtor so mit Löschwasser durchtränkt, dass es, anders als die anderen Altstadthäuser, nicht nieder brannte. Es ist heute das einzige erhalten gebliebene Fachwerkhaus von Frankfurts gotischer Altstadt, die einst die größte ihrer Art in Deutschland war.

Bei dem letzten „Märzangriff“, am 24. März 1944, bombardierten amerikanische Flugzeuge am helllichten Tag das Stadtzentrum. Sie trafen die Bergungsmannschaften und die reihenweise auf den Trümmern stehenden Särge der Opfer ebenso wie Frauen, Kinder und ältere Menschen, die in der Nähe des Hauptbahnhofs auf ihre Evakuierung warteten.

Fast genau ein Jahr später war für Frankfurt der Krieg vorbei. Am 26. März 1945 marschierten amerikanische Truppen in die Stadt ein. Die Bilanz des Bombenkrieges verzeichnete 5.559 Todesopfer und 22.000 Verletzte. Die Stadt war eine riesige Trümmerwüste. „Alles lag erstarrt“, notierten die Journalisten Madlen Lorei und Richard Kirn. „Die Stadt atmete noch, aber sie atmete wie ein Herzkranker, dem man gesagt hat: ‚Atmen Sie nur flach.’“ Doch schon bald sollte sie sich wieder aus den Ruinen erheben.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 9 vom 09.03.2004

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