Er bezwang die Syphilis

Zum 150. Geburtstag des Mediziners und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich

In Frankfurt am Main hatte er seine wichtigste Wirkungsstätte. Paul Ehrlich war bahnbrechend vor allem bei der Diagnose und Therapie von Blut- und Infektions-krankheiten. Anlässlich seines Geburtstages am 14. März wird in der Frankfurter Paulskirche der höchstdotierte deutsche Wissenschaftspreis, der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis, verliehen.

Frankfurt am Main (pia) Ein Forscher brauche zum Erfolg die vier großen „G“: „Geduld, Geschick, Glück und - last, but not least - Geld.“ So sagte einmal Paul Ehrlich. Das Geld für seine wissenschaftlichen Arbeiten verdankte der Mediziner und spätere Nobelpreisträger größtenteils der Stadt Frankfurt am Main. Das hier 1899 eigens gegründete „Königliche Institut für experimentelle Therapie“, an das der damals bereits berühmte Forscher aus Berlin berufen werden konnte, wurde nicht nur aus städtischen und staatlichen Mitteln, sondern vor allem durch Spenden aus der Bürgerschaft finanziert. Im Jahr 1906 erhielt der Professor eine zweite Frankfurter Arbeitsstätte, das chemotherapeutische Forschungsinstitut „Georg-Speyer-Haus“, das die Bankierswitwe Franziska Speyer mit dem seinerzeit ungeheuerlichen Gründungskapital von 1 Million Goldmark stiftete. Hier errang Paul Ehrlich 1909 seinen größten Erfolg: die Entdeckung eines Medikaments zur Bekämpfung der Syphilis.

Vor 150 Jahren, am 14. März 1854, wurde Paul Ehrlich im schlesischen Strehlen geboren. Aus diesem Anlass veranstaltet die Paul-Ehrlich-Gesellschaft in Frankfurt, der wichtigsten Wirkungsstätte des Mediziners, eine akademische Feierstunde im Universitätsklinikum (13.3.2004) und ein internationales Symposium „Combating Pathogens and Cancer“ in der Deutschen Bank (15./16.3.2004). Wie alljährlich zu Ehrlichs Geburtstag wird auch der 1952 gestiftete Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis während einer Feier in der Paulskirche wieder verliehen (14.3.2004). Dieser höchstdotierte deutsche Wissenschaftspreis geht diesmal an Professor Mark M. Davis, Stanford (USA), und Professor Tak W. Mak, Toronto (Kanada), für ihre außerordentlichen Erkenntnisse in der Immunologie, einem von Ehrlichs Hauptarbeitsgebieten.

Schon früh interessierte sich Paul Ehrlich, Sohn eines jüdischen Gastwirts und Likörfabrikanten, für Farbstoffe. Der Gymnasiast in Breslau „nutzte“ seine Erkenntnisse, um weiße Tauben blau zu färben. Während seines Medizinstudiums in Breslau, Straßburg, Freiburg und Leipzig witzelten die Kommilitonen gerne: „Ehrlich färbt am längsten.“ Denn im Mikroskopierkurs in Straßburg färbte dieser so leidenschaftlich die Präparate, dass er darüber oft das Nachhausegehen vergaß.

In Berlin, wo er anfangs als Arzt an der Charité wirkte und sich habilitierte (1887), forschte Ehrlich zunächst hauptsächlich auf dem Gebiet der Hämatologie. Mit Hilfe spezieller Färbemethoden gelang ihm eine Aufschlüsselung des „Blutbildes“. Auf dieser Grundlage konnten Krankheiten des Blutes, etwa die Leukämie, genauer bestimmt werden. Ab 1890 wandte sich der Forscher der Immunologie zu. Von Robert Koch, dem Entdecker des Tuberkulosebakteriums, wurde Ehrlich 1891 an das neue Institut für Infektionskrankheiten berufen. Hier erarbeitete er insbesondere Verfahren zur Gewinnung, Konzentrations- und Wertbestimmung des von Emil v. Behring 1890 entdeckten Diphtherieheilserums, das dadurch erst in der Praxis angewendet werden konnte. Die Aufgabe der „Serumprüfung und Serumforschung“ übernahm ab 1896 ein zu diesem Zweck gegründetes Institut in Berlin-Steglitz, dessen Leitung Ehrlich übertragen wurde.

Auf maßgebliche Initiative des Frankfurter Oberbürgermeisters Franz Adickes, der die besten Kräfte für eine zu gründende Universität in der Mainstadt versammeln wollte, wurde dieses Institut hierher verlegt und am 8. November 1899 als „Königliches Institut für experimentelle Therapie“ im späteren Universitätsklinikumsgebiet in Sachsenhausen eröffnet. Direktor Paul Ehrlich widmete sich ab 1901 auch der Krebsforschung und seit der Gründung des „Georg-Speyer-Hauses“ 1906 zunehmend der experimentellen Chemotherapie. Für seine „unvergänglichen Verdienste um die medizinische und biologische Forschung“ erhielt er zusammen mit Ilja Metschnikow 1908 den Nobelpreis.

Um diese Zeit stand Paul Ehrlich jedoch sein größter Erfolg noch bevor. Er hatte die Vision einer wirksamen Chemotherapie. Mit seinen Forschungen am „Georg-Speyer-Haus“ suchte er nach chemischen „Zauberkugeln“, mit denen man gezielt auf die Erreger von Krankheiten im Körper schießen konnte. 1909 wurde die Substanz 606, eine Arsenobenzolverbindung, synthetisiert und von Sahashiro Hata, Ehrlichs japanischem Mitarbeiter, im Tierversuch geprüft. Es wirkte gegen Spirochaeten, die Erreger der Syphilis! Ein Jahr später kam das neue Medikament unter dem Namen „Salvarsan“ auf den Markt. Der damit begonnene Siegeszug gegen die Seuche brachte Ehrlich aber nicht nur weltweiten Ruhm, sondern auch aggressive Anfeindungen. So hielten es Moralapostel für „unsittlich“, dass Menschen, die sich mit der „Lustseuche“ infiziert hatten, ihrer Strafe entkommen sollten. Die Angriffe gipfelten im „Salvarsanprozess“ vor dem Frankfurter Landgericht im Juni 1914, aus dem der Wissenschaftler glänzend gerechtfertigt hervorging.

Schon schmiedete Ehrlich neue Pläne: „Wenn ich all die Ideen ausführen will (..), kann ich noch ein Dutzend Chemiker ein paar Jahre beschäftigen.“ Doch während einer Kur in Bad Homburg starb Paul Ehrlich am 20. August 1915. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße in Frankfurt beigesetzt. Die von ihm begründeten Institute wirken bis heute fort.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 8 vom 02.03.2004

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