Ein fast vergessener Friedhof

Der Petersfriedhof rückt durch Restaurierungen wieder in den Blickpunkt

Vor 550 Jahren wurde die Begräbnisstätte geweiht und diente dann vier Jahrhunderte lang der Stadt als Begräbnisplatz. Zu den Gräbern des Petersfriedhofs auch die im Goethejahr 1999 restaurierte Ruhestätte von Johann Caspar und Catharina Elisabeth Goethe. Weitere kunst- und stadtgeschichtlich bedeutende Grabmale konnten seither gerettet werden.

Frankfurt am Main (pia) Am 30. Juni 1828 wurde Thomas Zehe auf dem Petersfriedhof begraben. Es war die letzte Beerdigung auf dem Kirchhof, der seit fast vier Jahrhunderten als allgemeiner Begräbnisplatz der Stadt gedient hatte. Am folgenden Tag wurde der heutige Hauptfriedhof eröffnet. Der alte Petersfriedhof, der eigentlich einhundert Jahre lang nicht angetastet werden sollte, fiel hinter seinen bald grün umwucherten Mauem in einen Dornröschenschlaf. Keiner erinnerte sich mehr der Toten, die hier ruhten.

Doch im Jahr 1849, anlässlich der Feierlichkeiten von Goethes 100. Geburtstag, kam die Idee auf, auch eine Gedenkstunde für die Eltern des Dichters an deren Grabstätte auf dem Petersfriedhof abzuhalten. Aber man fand die Gräber nicht mehr. Anhand von alten Epitaphienverzeichnissen wurde daher die Grabstätte von Goethes Mutter bestimmt und einfach davon ausgegangen, dass ihr Mann ebenfalls dort beerdigt worden sei. Dieses vermeintliche „Grab der Eltern Goethes“ war künftig Schauplatz regelmäßiger Gedenkfeiern - bis sich nach Jahrzehnten herausstellte, dass man sich immer am falschen Grab versammelt hatte.

Zum Goethejahr 1999 rückte der mittlerweile fast vergessene Petersfriedhof wegen der Bedeutung als letzte Ruhestätte von Johann Caspar und Catharina Elisabeth Goethe wieder in den Blickpunkt. Der erhaltene Friedhofsrest am nördlichen Rand der Innenstadt war verwahrlost, und die teilweise kunst- und stadtgeschichtlich bedeutenden Grabdenkmäler waren dem Verfall preisgegeben. Dank der Commerzbank-Stiftung konnten 1999 wenigstens die Grabstätten von Goethes Eltern restauriert werden. Seitdem läuft ein Projekt zur Rettung weiterer Grabmale, das das Historische Museum mit Unterstützung seines Förderkreises, der Historisch-Archäologischen Gesellschaft, betreut. Mit Hilfe von Sponsoren, teilweise Nachfahren der hier Bestatteten, konnten inzwischen weitere Gräber, etwa der Familien de Neufville und Nestle, bewahrt werden. Im letzten Jahr wurde die auf­wändige Restaurierung des barocken Epitaphs der Familie du Fay abgeschlos­sen, und ab Frühjahr 2003 sollen die Grabdenkmäler des Kaufmanns Jacob Heinrich Rühle von Lilienstern und des Bürgerkapitäns Johann Mathias Adami wiederhergestellt werden.

Zur gleichen Zeit soll mit dem Umbau der Peterskirche zur „Jugendkulturkirche“ begonnen werden, die mit ihrem Angebot an Konzerten, Parties, Workshops und Seminaren junge Leute in die Kirche holen will. Dadurch könnte auch der im Volksmund so genannte „Knochenpark“ wieder aufgewertet werden, die Grünanlage des Peterskirchhofs, in der sich übrigens zwischen den vielen alten Grabstätten seit 1994 auch ein aktuelles Mahnmal befindet: Unter der Losung „Verletzte Liebe“ wird für jeden Frankfurter Aids-Toten ein Bronzenagel in die Sandsteinmauer unterhalb der Peterskirche geschlagen.

Wohl 1452, also vor 550 Jahren, wurde der Petersfriedhof auf dem Platz vor der 1417-19 errichteten St. Peterskirche wahrscheinlich von Kardinal Nicolaus von Cues, einem der bedeutendsten Theologen des ausgehenden Mittelalters, geweiht. Der Rat hatte sich zur Einrichtung eines weiteren Friedhofs in der Stadt genötigt gesehen, weil der Platz rund um den Dom, bisher allgemeine Begräbnisstätte in Frankfurt, mehr als überfüllt war. Doch schon nach 50 Jahren reichte auch der neue Kirchhof nicht mehr aus. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der Petersfriedhof daher nach Westen erweitert bzw. verlegt. An den Mauern des 150 Meter langen und 80 Meter breiten Grundstücks waren 212 Erbbegräbnisse aufgereiht. Dazwischen lag das „gemeine Feld“, der Begräbnisplatz für die Ärmeren. Während auf den Grabhügeln des „gemeinen Feldes“ meist hölzerne und manchmal schmiedeeiserne Kreuze standen, schmückten die Erbbegräbnisse fast immer Grabsteine.

Auf dem Petersfriedhof, der noch zweimal (1626 und 1746) erweitert werden musste, wurden außer Goethes Eltern zahlreiche weitere bedeutende Frankfurter Persönlichkeiten bestattet, etwa der Buchdrucker Christian Egenolff, der Kupferstecher Matthäus Merian, der Stifter Johann Friedrich Städel und der Bankier Simon Moritz von Bethmann. Dennoch wurde der Kirchhof, entgegen der früheren Zusagen einer hundertjährigen Ruhefrist, bereits ab 1870 im Interesse einer „modernen“ Stadt- und Verkehrsplanung zerstört. Dem Bau der neuen Peterskirche (1892), der Stephanstraße (1904), der Liebfrauenschule (1909) und der Diamantenbörse (1974) fielen große Teile des alten Friedhofgeländes zum Opfer.

So befindet sich das Grab von Goethes Mutter, das 1881/82 eindeutig (und zwar elf Gräber weiter nördlich als bis dahin angenommen) lokalisiert worden war, seit 1909 im Pausenhof der Liebfrauenschule. Um dieselbe Zeit tauchte zufällig die Todesanzeige für Goethes Vater im Goethe-und-Schiller-Archiv in Weimar auf: Sie bewies, dass Johann Caspar Goethe nicht an der Seite seiner Frau beigesetzt wurde, sondern im weiter westlich gegenüber gelegenen „Waltherischen Epitaph“, dem Erbgrab seines Großvaters mütterlicherseits. Das getrennte Grab galt fortan als Symbol für die angeblich unglückliche Ehe zwischen dem Kaiserlichen Rat Johann Caspar Goethe und der „Frau Aja“.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 43 vom 05.11.2002

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