Die Lust am Main

Stadtplaner wollen den Fluss als zentralen „Stadtraum“ zurückerobern

In den 70-er Jahren war er zu einem Abwasserkanal verkommen. Erst mit der Einrichtung des Museumsufers in den 80-er Jahren kehrte das Leben allmählich an den Main zurück. Jetzt sind neue Projekte geplant: Bis 2004 soll die neue „Mainpromenade“ fertig sein. Der Grundstein für eine solche Uferpromenade wurde bereits vor über 125 Jahren gelegt.

Frankfurt am Main (pia) Einst war die „Mainlust“ europaweit berühmt. „Wer in Frankfurt gewesen und sie nicht gesehen, dem mag man schon zurufen: In Rom gewesen und den Papst nicht gesehen!“ , verstieg sich der Publizist Eduard Beurmann zu einem doch etwas merkwürdigen Vergleich. In das Gartenlokal „Zur Mainlust“, das der Restaurateur J. G. Ried 1832 eröffnet hatte, kamen im Sommer die Damen der besseren Gesellschaft zum Frühstück, ganze Familien zum Nachmittagskaffee und verliebte Pärchen zum abendlichen Tanz bei Militärmusik und Gasillumination. Die eigentliche Attraktion der „Mainlust“ aber war ihre Lage in einem prächtigen Park direkt am Mainufer: „Von dem eleganten Pavillon, der den Garten beherrscht“, so schwärmte der französische Romantiker Gérard de Nerval, „bewundert man eine der schönsten Aussichten der Welt: (...) die alte Stadt, das blühende Land, die weite Wasserfläche - ein Schauspiel, das in bezaubernder Harmonie alle Werke Gottes, des Menschen und der Natur vereinigt.“

Die Lust am Main hatte Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg fast ganz verloren. Der Fluss war spätestens in den 1970-er Jahren zu einem verkehrumtosten, trüben Abwasserkanal verkommen, dessen Ufer man schon des Geruchs wegen lieber mied. Erst mit der Einrichtung des Museumsufers am Schaumainkai in den 80-er Jahren kehrte das Leben allmählich an den Main zurück. Nachdem sich mittlerweile auch die Wasserqualität des Flusses verbessert hat, setzen Stadtplaner und Architekten seit einigen Jahren alles daran, den Main und seine Ufer als zentralen „Stadtraum“ zurückzuerobern.

Zahlreiche Bauprojekte am Main sind derzeit aktuell. Die Alte Brücke, die älteste Mainbrücke, wird ab 2003 saniert und umgestaltet. Neue Wohn- und Geschäftsviertel entstehen am Fluss und weitere Uferpromenaden werden angelegt. Dem grünen Mainufer sollen außerdem einige gastronomische Glanzlichter aufgesetzt werden. Bis 2004 soll die neue „Mainpromenade“ fertig sein.

Der Grundstein für eine solche Uferpromenade wurde bereits vor über 125 Jahren gelegt. Mit der Herrlichkeit der alten „Mainlust“ war es 1859 vorbei, nachdem der davor liegende Kleine Main, ein Seitenarm des Flusses, zugeschüttet worden war. Dadurch wurde das ursprüngliche Ufer mit der dort vorgelagerten Maininsel verbunden, um Platz für Schienenanlagen zu schaffen. Im Jahr 1873 wurden die Bahnschienen aus der Mitte an den Uferrand verlegt. Das dadurch vergrößerte Ufergebiet sollte eigentlich als Stapelplatz für den benachbarten Hafen genutzt werden. Trotz mancher Einwände der Stadtpolitiker setzte sich der Stadtgärtner Andreas Weber durch, der an dieser Stelle eine großzügige Grünanlage projektierte. Im Jahr 1875/76 legte Weber diese erste Mainpromenade an, die wegen ihres mediterranen Flairs bald im Volksmund „Nizza“ genannt wurde. Tatsächlich herrschen dank der sonnengünstigen und wassernahen Lage im Schutz der Kaimauern ähnliche klimatische Verhältnisse wie am Mittelmeer: An kalten Tagen ist es am "Nizza" zwei bis drei Grad wärmer, so dass hier exotische Bäume gedeihen und den Winter überstehen. Den südländischen Eindruck unterstrichen im Sommer noch die opulenten Beetanpflanzungen sowie die in Kübeln aufgestellten Palmen und Bananenstauden.

Eine besondere Attraktion im „Nizza“ war die 1898 gegründete "Moslersche Badeanstalt“, die größte und berühmteste der „schwimmenden“ Flussbadeanstalten. Sie wurde jedes Frühjahr auf Holzplanken über Pontons vor den Ufern des Mains neu errichtet und im Herbst wieder abgetragen. Vor allem in den 1920-er und 1930-er Jahren entwickelte sich das bis zu 500 Meter lange Moslersche Bad zu einer beliebten Freizeitanlage mit mehreren Schwimmbecken, Faustballplätzen, eigenem Bootsverleih und allen möglichen Sportangeboten. Vom mondänen Café unter Palmen aus konnten die Gäste den Betrieb auf der 1933 eröffneten Rollschuhbahn beobachten, wo damals die besten deutschen Rollkunstläufer ihr Können zeigten. Kriegsbedingt wurde die Rollschuhbahn auf das Ufer östlich der Friedensbrücke verlegt. Auf dieser Bahn machte im Sommer 1946 ein kaum dreieinhalbjähriges Frankfurter Mädchen die ersten Schritte auf Rollen: Die spätere „Eisprinzessin“ Marika Kilius begann hier ihre Weltkarriere.

Im Rahmen des Projekts zur Belebung des Mainufers wird die inzwischen völlig heruntergekommene Rollschuhbahn ab Herbst diesen Jahres abgerissen und durch einen Neubau mit Café und Restaurant ersetzt. Von dessen Sonnenterrasse werden die Gäste wie einst bei Mosler auf die neue Rollsportfläche blicken können, die sich im Winter sogar in eine Kunsteisbahn verwandeln lässt. Andere Objekte auf der geplanten „Mainpromenade“, die auf eine Idee der Architektin Marie-Theres Deutsch und des Stadtplaners Frank Herterich von 1997 zurückgeht und nach einer schwierigen Planungsphase jetzt allmählich realisiert wird, sind der Neubau des Pavillons am „Nizza“, eine Nachtbar im Pfeiler der Alten Brücke und ein Café an der Weseler Werft. Auf der Sachsenhäuser Seite wurde bereits 1997/98 die „Strandperle“ eröffnet, eine Cocktailbar im Eisernen Steg, und in diesem Frühjahr hat das „maincafe“ seinen (zunächst provisorischen) Betrieb in einem ehemaligen Toilettenhäuschen am Schaumainkai aufgenommen.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 31 vom 13.08.2002

Seitenanfang