Johannes Bückler alias Schinderhannes

Der Straßenräuber wurde vor 200 Jahren in Frankfurt verhaftet

Am 12. Juni 1802 wurde der unter dem Namen Schinderhannes berühmt gewordene Räuberbandenführer in Frankfurt enttarnt und verhaftet. Der zum rheinischen Robin Hood Verklärte war tatsächlich ein brutaler Krimineller. Die städtischen Behörden übergaben ihn der französischen Gendarmerie, und 1803 wurde er in Mainz durch die Guillotine hingerichtet.

Frankfurt am Main (pia) An einem späten Freitagabend nach Pfingsten 1802 traf ein Transport neuer Rekruten bei der Kaiserlichen Werbedirektion in Frankfurt ein. Einer der Männer zog „eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit“ der Behörden auf sich. Der junge Mann, der sich Jakob Schweikard nannte, ahnte noch nichts von einem Verdacht gegen ihn. Auf dem Rekrutentransport von Limburg nach Frankfurt war er zwar in Ketten gelegt worden, aber er hielt das für eine Sicherungsmaßnahme gegen seine mögliche Desertion. Tatsächlich hatten die kaiserlichen Militärbeamten inzwischen Hinweise auf die wahre Identität des neuen Rekruten erhalten: Er sollte angeblich „der unter dem Namen Schinderhannes so berüchtigte Straßenräuber in eigener Person“ sein.

Wenige Stunden nach seiner Ankunft in Frankfurt vor 200 Jahren konnte der Verdächtige wirklich als der steckbrieflich gesuchte Räuberbandenführer Schinderhannes enttarnt und verhaftet werden. Auf dringliche Bitte der um die öffentliche Sicherheit besorgten Kaiserlichen Werbedirektion hatte der Rat der Stadt unverzüglich den Chef des Peinlichen Verhöramts, Kriminalrat Dr. Siegler, in die Angelegenheit eingeschaltet. Gleich am Samstagvormittag, den 12. Juni 1802, begab sich Siegler in das Werbhaus, um den zweifelhaften Rekruten zu verhören. Bald gestand der Mann, dass „er eigentlich Johannes Bückler heiße und der vom Pöbel [so] genannte Schinderhannes sey“. Daraufhin wurde er sofort mit eisernen Ketten gefesselt und in die als Gefängnis dienende Hauptwache abgeführt, wo er in das als besonders sicher geltende „Schanzerloch“ im Keller gesperrt wurde.

Zwei Tage später, am 14. Juni 1802, wurde der „Arrestant“ Johannes Bückler ausführlich verhört, worüber ein Protokoll für die - im Institut für Stadtgeschichte erhaltenen - städtischen Kriminalakten angefertigt wurde. Die historische Wahrheit, von der dieses und andere Dokumente zu Bücklers Biographie zeugen, ist allerdings ziemlich desillusionierend. Der Schinderhannes erscheint in den Quellen kaum als der edle, wilde Räuberhauptmann, zu dem er schon zu Lebzeiten und erst recht nach seinem Tod auf der Guillotine verklärt wurde. Der Mythos vom rheinischen Robin Hood, der Stoff für unzählige Moritaten, Anekdoten und schließlich für das bekannte Volksstück von Carl Zuckmayer (1927) lieferte, reduziert sich in der Realität auf die Geschichte eines brutalen und habgierigen Kriminellen.

Johannes Bückler, wahrscheinlich um 1779/80 in Miehlen bei Nastätten geboren, stand schon durch seine Herkunft am Rande der Gesellschaft. Er stammte aus einer Abdeckersfamilie, weshalb er auch seinen Rufnamen des „Schinderhannes“ erhielt. In den Wirren des Ersten Koalitionskriegs im Hunsrück aufgewachsen, begann er eine Lehre beim Scharfrichter und Abdecker von Bärenbach, landete aber wegen Diebstahls bereits 1796 zum ersten Mal im Gefängnis. Nach gelungener Flucht aus der Haft gab er das ehrliche und sesshafte Leben auf.

Von seinem Unterschlupf im hunsrückischen Hochwald aus startete Bückler zusammen mit Kumpanen wie dem Petronellenmichel, dem Roten Fink und dem Schwarzen Peter räuberische Beutezüge, wobei er, der kaum Achtzehnjährige, bald als grausamer und rücksichtsloser Bandenführer auftrat, der auch vor Morden aus Rache und Habgier nicht zurückschreckte. Haftstrafen konnten den Räuber nicht aufhalten. Immer wieder gelang ihm die Flucht, einmal sogar aus dem angeblich ausbruchsicheren Gefängnisturm von Simmern (1799). Aus seinem furchtbaren Ruf schlug Bückler noch Kapital: Er erpresste Schutzgelder von reichen Bauern und Juden. Auf dem Höhepunkt seiner Räuberkarriere im Jahr 1800 residierte der Schinderhannes als der heimliche König vom Soonwald auf Schloss Schmidtburg und verprasste die üppige Beute aus seinen Raubzügen.

Falls es einmal brenzlig wurde, setzte sich Bückler einfach auf die rechte Rheinseite ab. Dort glaubte er sich sicher vor dem Zugriff der französischen Behörden, die in den (seit 1797 zu Frankreich gehörenden) linksrheinischen Gebieten endlich wieder Ordnung schaffen wollten und mit der Verhaftung des Schinderhannes allzu gerne ein Exempel statuiert hätten. Doch letztlich wurde Bückler auf der rechten Rheinseite gefasst: Am 31. Mai 1802 wurde er eher zufällig bei einer routinemäßigen Passkontrolle bei Wolfenhausen in der Nähe von Runkel an der Lahn festgenommen, weil er sich nicht ausweisen konnte.

Nur wenige Tage nach seiner endgültigen Verhaftung und Enttarnung in Frankfurt am 12. Juni 1802 wurde der Schinderhannes entgegen seiner inständigen Bitten, ihn nicht den französischen Behörden im linksrheinischen Departement auszuliefern, von den städtischen Behörden der französischen Gendarmerie übergeben. Am 16. Juni 1802 um drei Uhr früh verließ er mit seiner ebenfalls verhafteten Geliebten Julchen Blasius und weiteren Gefangenen auf einem von Frankfurter Militär eskortierten Leiterwagen die Stadt. Er wurde nach Mainz gebracht, wo ihm und seiner Bande der Prozess gemacht wurde. Am Mittag des 21. November 1803 wurden der Schinderhannes und 19 seiner Männer auf der Guillotine in Mainz hingerichtet.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 20 vom 28.05.2002

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