Zum 100. Geburtstag von Walter Kolb

Frankfurt gedenkt seines populären Nachkriegs-Oberbürgermeisters

Er war der erste frei gewählte Frankfurter Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Der am 22. Januar 1902 geborene Walter Kolb begegnete durch Neuaufbau der Wohnungsnot und profilierte Frankfurt als Wirtschaftszentrum. Kolb engagierte sich auch dafür, die Paulskirche zügig wieder zu errichten - ein Zeichen für den demokratischen Neubeginn.

Frankfurt am Main (pia) Mit dem Presslufthammer bohrte sich Walter Kolb in die Herzen der Frankfurter. Am 17. Oktober 1946 wühlte sich der erst seit kurzem amtierende Oberbürgermeister, tatkräftig unterstützt von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, durch die Schutthaufen auf dem Römerberg und eröffnete damit den ehrenamtlichen Bürgereinsatz zur Enttrümmerung der schwer kriegszerstörten Innenstadt. Seitdem steht Kolb für den Wiederaufbau und den demokratischen Neubeginn in Frankfurt am Main nach dem Zweiten Weltkrieg.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Walter Kolb am 22. Januar nächsten Jahres will die Stadt Frankfurt nun ihres populären Nachkriegs-Oberbürgermeisters mit einem Festakt in der Paulskirche gedenken. Außerdem werden vielfältige Veranstaltungen über Kolbs Wirken für die Stadt informieren, darunter eine Fotoschau im Historischen Museum (ab 22.1.2002) und eine Ausstellung „Frankfurter Kunst zur Zeit von Walter Kolb 1946-1956“ in den Räumen der Walter-Kolb-Stiftung und der Heussenstamm Stiftung in der Berliner Straße 27 (ab 19.2.2002) sowie ein Schülerbegleitprogramm der Walter-Kolb-Schule.

Der am 22. Januar 1902 in Bonn-Poppelsdorf geborene Jurist Walter Kolb wurde am 25. Juli 1946 zum Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main gewählt. Er war damit der erste frei gewählte Frankfurter Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Für das Amt qualifizierten ihn seine demokratische Gesinnung, deretwegen er in der NS-Zeit aus dem Staatsdienst entlassen und mehrfach inhaftiert worden war, und seine kommunalpolitische Erfahrung, die er seit 1945 in Düsseldorf, zuletzt als Oberstadtdirektor, bewiesen hatte. Als seine wichtigsten Ziele nannte der OB in seiner Neujahrsbotschaft für 1947 die Förderung des Wohnungsbaus und die Ankurbelung der Wirtschaft.

Kolbs Herzensanliegen aber war der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Paulskirche zur Jahrhundertfeier der Deutschen Nationalversammlung, des ersten gewählten gesamtdeutschen Parlaments, im Jahr 1948. Damit wollte der überzeugte Demokrat ein Zeichen für den politischen Neubeginn nach 1945 setzen. Dank seines Engagements konnte Kolb die neue Paulskirche nach nur 14-monatiger Bauzeit pünktlich zum Jubiläum der Nationalversammlung am 18. Mai 1948 einweihen. Das in zeitgemäß vereinfachter Form wiedererrichtete Gebäude sollte künftig nicht mehr als Gotteshaus, sondern als nationale Gedenk- und Tagungsstätte, als (so Kolb) „das Haus aller Deutschen“, dienen.

In den folgenden Jahren trieb der OB im großen Stil den Wiederaufbau der Stadt voran. Dabei blieb die 1951 vollendete originalgetreue Rekonstruktion des Goethehauses eine Ausnahme. Ansonsten hatte sich Frankfurt bei dem am 15. Mai 1952 begonnenen Neuaufbau des Stadtkerns den Richtlinien des modernen Städtebaus der 50-er Jahre verschrieben, wodurch es wegweisend in der Stadtplanung wurde. Aus heutiger Sicht mag man den Identitätsverlust der Innenstadt beklagen, den dieser Kurs des Wiederaufbaus zur Folge hatte. Damals, angesichts von Kriegszerstörungen und Wohnungsnot, gab es für die Stadtregierung nur eins: „Wir haben gebaut, gebaut und noch einmal gebaut“, wie Kolb selbst einmal sagte. Bereits Ende 1954 gab es in Frankfurt mit rund 170.000 Wohnungen wieder fast genauso viele wie zu Kriegsbeginn, wenngleich damit - infolge der inzwischen auf 635.852 gestiegenen Einwohnerzahl - noch immer rund 30.000 Wohnungen fehlten.

Als Freund und Förderer des Sports machte sich Kolb außerdem um den Wiederaufbau von Sportstätten verdient. Das Waldstadion, das die Militärregierung zunächst requiriert, auf Kolbs Drängen aber 1950 freigegeben hatte, wurde zwischen 1953 und 1955 zur zweitgrößten, 87.000 Zuschauer fassenden Sportarena der Bundesrepublik ausgebaut. Unter Kolb wurde Frankfurt zum beliebten Austragungsort wichtiger Sportveranstaltungen sowie zum Sitz einflussreicher Sportverbände, u. a. des Deutschen Sportbundes, des Deutschen Fußballbundes und des Deutschen Turnerbundes, und damit zur „Hauptstadt des bundesdeutschen Sports“.

Dies entschädigte den OB zumindest ein klein wenig dafür, dass entgegen seiner Hoffnungen im Jahr 1949 Bonn - und nicht Frankfurt - deutsche Bundeshauptstadt geworden war. Zum Ausgleich für die entgangene Hauptstadtwürde hatte Kolb seitdem alles daran gesetzt, um Frankfurt als Wirtschaftszentrum des süd- und westdeutschen Raums sowie als internationale Finanz- und Handelsstadt zu profilieren. Der Flughafen, die Messe sowie die 1948 hier angesiedelte Bank deutscher Länder waren seine Trümpfe beim Aufstieg zur Wirtschaftsmetropole.

Nach zehn erfolgreichen Amtsjahren starb OB Walter Kolb am 20. September 1956. Die überwältigende Anteilnahme der Frankfurter bei seinem Tod zeugte von der außergewöhnlichen Verbundenheit der Bürger mit ihrem Stadtoberhaupt. Über 100.000 Menschen säumten die Straßen, als der Sarg ihres Oberbürgermeisters von der Paulskirche, dem Ort der Trauerfeier, zum Hauptfriedhof geleitet wurde. Zur Erinnerung an Walter Kolb wurden u. a. eine Straße in Sachsenhausen, eine Schule in Unterliederbach, eine Stiftung zur Förderung des Zweiten Bildungswegs und ein Preis für juristische Dissertationen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität nach ihm benannt. In der Anlage an der Berliner Straße westlich der Paulskirche wurde 1957 die Walter-Kolb-Eiche gepflanzt. Einen würdigen Platz an der Paulskirche, dem liebsten Kind des Oberbürgermeisters, erhält jetzt auch eine Tafel zum Gedenken an Walter Kolb anlässlich von dessen 100. Geburtstag am 22. Januar 2002.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 50 vom 18.12.2001

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