Ein weltweit einzigartiges Kulturinstitut

Verein knüpft an Geschichte des Frankfurter Kochkunstmuseums an

Seine Schätze sind im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen: Das 1909 von dem Kaufmann Matthäus Carl Banzer gegründete Kochkunstmuseum war eine Frankfurter Attraktion. Für seine Wiedereinrichtung setzt sich der „Verein zur Förderung der Tafelkultur“ ein. Zur Zeit bietet er gemeinsam mit dem Museum für Angewandte Kunst Veranstaltungen zum Thema Tafelkunst.

Frankfurt am Main (pia) „Die vornehme französische Poularde musste noch mit dem niedersten Geflügelplebs ein Zimmer teilen, und die leckersten Sachen standen ohne Ordnung umher“, so beschrieb ein Journalist der „Frankfurter Zeitung“ das noch „recht unfertige Bild“, das sich ihm kurz vor der Eröffnung des Frankfurter Kochkunstmuseums im Januar 1909 im Ausstellungssaal bot. Es herrschte ein wildes Durcheinander von prächtigen Platten mit täuschend echt nachgeahmten Gerichten und allerhand präparierten Vögeln, Fischen und Krustentieren. „Der Direktor des Verbandes der Köche, Herr M. C. Banzer, der geistige Urheber des Museums, malte aber die leeren Glasschränke mit solch lebhaften Farben aus, dass man das Museum plötzlich fix und fertig in der Phantasie finden konnte, vielleicht schöner und verlockender, als es in der Wirklichkeit werden wird.“

Der Kaufmann Matthäus Carl Banzer (1867-1945) war ein Visionär. Aber er verstand es, andere für seine Ideen zu begeistern, und seine Visionen in die Tat umzusetzen. Am 19. Januar 1909 konnte das von ihm gegründete Kochkunstmuseum im neu errichteten Haus des Internationalen Verbandes der Köche (IVdK) in der Windmühlstraße 1 an der Ecke zum Untermainkai feierlich eröffnet werden. Banzer hatte damit ein weltweit einzigartiges Kulturinstitut und zugleich eine attraktive Sehenswürdigkeit in Frankfurt geschaffen. Im Zweiten Weltkrieg gingen die Schätze des Kochkunstmuseums verloren, darunter der umfangreiche Bestand an Menüs und Speisekarten sowie die bedeutende Bibliothek, die als eine der geschlossensten Sammlungen gastronomischer Literatur in der Welt galt.

Seit 1988 engagiert sich der „Verein zur Förderung der Tafelkultur“, unterstützt durch die 1995 gegründete „Tafelkultur-Stiftung“, für die Wiedereinrichtung eines „Museums für Kochkunst und Tafelwesen“ in Frankfurt. Noch bis zum Jahresende stellt der Verein sich und seine Ziele bei samstäglichen „happy.hours“ in Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst (mak) vor. Für diese Veranstaltungen zu Themen der alten und neuen Tafelkultur bilden die Ausstellungsräume des mak das passende stilvolle Ambiente. So werden „Hochzeitsgedecke“ vor dem Hintergrund eines mittelalterlichen Wandteppichs mit der Darstellung einer Hochzeitsfeier gezeigt, und das Thema „Tee“ wird zwischen den Exponaten der Ostasienabteilung behandelt. Dazu werden jeweils passende Stücke aus der Sammlung der „Tafelkultur-Stiftung“ präsentiert, oft auch entsprechende Kostproben gereicht und in den Vorträgen der geladenen Fachleute historische und aktuelle Fragen beantwortet, etwa wie man sich bei einem barocken Tafelfest benahm oder welcher Cocktail zu welchem Anlass passt.

Mit dieser Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart stehen die derzeitigen „happy.hours“ in bester Tradition zum früheren Kochkunstmuseum, das dessen Gründer Matthäus Carl Banzer nicht nur als Pflegestätte von Geschichte und Wissenschaft verstehen wollte. Vielmehr sollte es auch eine aktuelle Plattform für die Berufsköche bieten. Dieser Praxisbezug war schon durch die Anbindung des Museums an den 1896 von Banzer mitbegründeten Internationalen Verband der Köche gewährleistet, als dessen Verbandsdirektor er seit 1898 die Fachzeitschrift „Kochkunst“ (1907-1914 „Kochkunst und Tafelwesen“, ab 1920 „Die Küche“) herausgab und seit 1900 die Internationalen Kochkunst-Ausstellungen (IKA) in Frankfurt organisierte.

Am 2. Mai 1933 jedoch wurde der Internationale Verband der Köche wie alle Gewerkschaften und Berufsverbände von den nationalsozialistischen Machthabern „gleichgeschaltet“ und der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) angeschlossen. Im Januar 1935 wurde Banzer in den Ruhestand abgeschoben. „Sein“ Kochkunstmuseum sollte nun eigentlich nach Berlin abgezogen werden, blieb dann aber doch in Frankfurt und führte allerdings nur noch ein Schattendasein.

Das Museumsgebäude in der Windmühlstraße wurde bei den Bombenangriffen auf die Frankfurter Innenstadt 1944 schwer beschädigt, zuletzt am 12. September jenes Jahres, als der Dachstuhl des Hauses völlig ausbrannte. Zu diesem Zeitpunkt waren die wertvollen Bestände des Museums längst ausgelagert. Die Bibliothek machte eine wahre Odyssee durch, wurde kriegsbedingt ständig von einem Lagerplatz zum nächsten geräumt, beim Brand der Stadtbibliothek teilweise zerstört und in ihren Resten schließlich an einen „sicheren Ort“ an der Bergstraße gebracht, wo sich ihre Spur verliert. Derweil lagerten die übrigen Museumsstücke in einer Garage auf dem Gelände der Reichskochschule in der Gutleutstraße, wo man sie in Sicherheit glaubte - bis das gesamte Anwesen bei einem Luftangriff zerstört wurde.

Erhalten geblieben ist das fast originalgetreu wiederaufgebaute Gebäude des Kochkunstmuseums. Der repräsentative neobarocke Bau, direkt am Mainufer gegenüber dem Städel gelegen, dient inzwischen als Bürohaus. Am Balkon über den Fenstern des ehemaligen Museumssaals aber wachen bis heute Ceres, die Göttin der Feldfrüchte, und Prometheus, der Überbringer des Feuers, als die steinernen Schutzheiligen der Kochkunst.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 40 vom 03.10.2000

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