Ein Magier des Raumes

Hermann Haindl zum 50-jährigen Frankfurter Bühnenjubiläum

Er arbeitete in Frankfurt mit den Großen der Theaterwelt. Er malte für Buckwitz, Gielen, Neuenfels und Wieland Wagner. Er wirkte in Athen, Barcelona, Tel Aviv und London. Über 1000 Bühnenbilder schuf er im Laufe eines langen Künstlerlebens. Jetzt feiert der Maler und Bühnenbildner Hermann Haindl sein 50-jähriges Bühnenjubiläum.

Frankfurt am Main (pia) - Ein Regenschirm war das Gesellenstück von Hermann Haindl. Zu Ostern 1950 verpflichtete sich der damals 23-Jährige, der seine Ausbildung zum Theatermaler in Kattowitz absolviert hatte, 14 Tage unentgeltlich im Malersaal der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main zu arbeiten. Er wollte zeigen, was er konnte. Nun sollte er für die Inszenierung des Lustspiels „Das kleine Hofkonzert“ von Toni Impekoven und Paul Verhoeven eine Kulisse nach dem bekannten Spitzweg-Bild des „Armen Poeten“ mit dem Regenschirm über dem Bett malen. Das Gemälde wirkte so echt, dass während einer Probe in der Dekoration der Regisseur Siegfried Nürnberger die Anweisung gab, den Schirm höher zu hängen: Er werfe zu viel Schatten. Daraufhin wurde Haindl als Theatermaler bei den Städtischen Bühnen angestellt.

Somit kann er jetzt sein 50-jähriges Frankfurter Bühnenjubiläum als Theatermaler und Bühnenbildner feiern. Aus diesem Anlass wird Hermann Haindl am 28. Juni, im Anschluss an die Sommerpremiere des Volkstheaters, für seine Verdienste um das Frankfurter Theaterleben geehrt. Die passende Kulisse für den kleinen Festakt wird auf jeden Fall das von ihm geschaffene Bühnenbild für die an diesem Abend zum ersten Mal gegebene Volkstheater-Inszenierung von Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ bilden - ob nun auf der Bühne draußen im Hof des Dominikanerklosters oder drinnen im Cantate-Saal. Denn die Dekorationen für die Freilichtaufführungen des Volkstheaters fertigt Haindl immer doppelt an, damit bei Regenwetter im Haus gespielt werden kann.

In Haindls Frankfurter Anfangsjahren war die Theaterarbeit geprägt von den Provisorien der Nachkriegszeit. Als Ersatzspielstätten für Opern- und Schauspielhaus, die noch in Trümmern lagen, dienten der Börsensaal und eine Turnhalle in Sachsenhausen. Wenn dort, so erzählt Haindl, eine Oper wie etwa „Die Entführung aus dem Serail“ gegeben wurde, dann war der Platz für das Orchester vor der Bühne lediglich mit einer roten Leine abgesperrt, und den Zuschauern in der ersten Reihe schwirrten die Fiedelbögen manchmal erschreckend dicht an der Nase vorbei. Das Theater sei damals eben „sehr familiär“ gewesen, meint Haindl, aber auch „sehr kreativ“. Trotz oder gerade wegen aller alltäglichen Widrigkeiten bei der Arbeit. So erinnert sich Haindl an seine damalige Wirkungsstätte, den provisorischen Malersaal im Foyer der Schauspielhausruine: „Der Schnee wehte im Winter über unsere Prospekte, und morgens waren oft die Farben eingefroren, da die zerstörten Eingänge nur notdürftig mit Brettern zugenagelt waren.“ Improvisation war angesagt. Haindl erzählt am Rande, dass er einst auch den jugendlichen Liebhaber, einen damals ziemlich unbekannten Berufsanfänger, mit dem Moped nach Hause gefahren hat. Der junge Schauspieler hieß Klausjürgen Wussow.

Von der Ära des 1951 eingesetzten Generalintendanten Harry Buckwitz schwärmt Hermann Haindl als der „Hochzeit des Frankfurter Theaters“. Buckwitz wagte sich ab 1952 an das dramatische Werk von Bertolt Brecht, der damals wegen seiner politischen Haltung von den übrigen bundesdeutschen Bühnen boykottiert wurde. An den 15 bedeutenden Brecht-Inszenierungen, die „der General“ bis 1968 auf den Frankfurter Spielplan brachte, wirkte Haindl als Theatermaler mit und lernte dabei auch Brecht selbst kennen, der zur Mitarbeit an einigen Inszenierungen nach Frankfurt kam. Nach dem Berliner Mauerbau kulminierten die Proteste gegen Buckwitzens Brecht-Inszenierungen erneut, und Haindl erinnert sich, dass die Premiere von „Das Leben des Galilei“ am 24. Oktober 1961 unter Polizeischutz stattfinden musste, weil draußen vor dem Theater sogar Steine geworfen wurden. Haindl dagegen blieb gegenüber dem Neuen am Theater stets aufgeschlossen. So erzählt er stolz, dass er als Künstlerischer Beirat 1972 Peter Palitzsch mitgewählt und so dazu beigetragen habe, dass die Frankfurter Bühne nach Buckwitz nicht in der „Provinzialität“ versunken sei.

Überhaupt sind es die Großen der deutschen Theatergeschichte in der Nachkriegszeit, mit denen Haindl als Theatermaler zusammenarbeitete: etwa Erwin Piscator, Heinrich Koch, Hein Heckroth, Georg Solti, Walter Felsenstein, Fritz Kortner. In der Arena „Herodus Atticus“ unterhalb der Akropolis gestaltete er das Bühnenbild für „Salome“. 1973 schuf er die Festdekoration zur 25-Jahr-Feier des Staates Israel in Tel Aviv, und als Wieland Wagner überraschend starb, übernahm er kurzfristig das Bühnenbild im Gran Teatro del Liceo in Barcelona für den „Fliegenden Holländer“ mit der Starsängerin Anja Silja. Den Anteil des Theatermalers an den oft hochkarätig besetzten Inszenierungen jener Jahre schätzt Haindl nicht gering ein: „Die Malerei ist ein wichtiger Teil der Inszenierung, der eine Aussage hat. Sie ist etwas, was in der Inszenierung mitschwingt.“ Diesem Grundsatz ist er auch treu geblieben, als er selbst Bühnenbilder zu schaffen begann. „Ich bin kein Schaufensterdekorateur“, sagt er, „ich bereite den magischen Raum, den der Regisseur benutzt.“

Bereits seit 1967 arbeitete er, der fünf Jahre zuvor die Leitung der Künstlerischen Werkstätten der Städtischen Bühnen übernommen hatte, daneben auch als freier Bühnenbildner, nicht nur für das Frankfurter Haus. Um frei zu sein für seine eigenen Arbeiten, schied er 1980 aus dem Dienst bei den Städtischen Bühnen aus. Im Jahr zuvor wirkte er erstmals an dem von Liesel Christ gegründeten Volkstheater Frankfurt. Damals schuf er das Bühnenbild für die erste Inszenierung von Goethes „Urfaust“ mit Frankfurter Zungenschlag, ein Experiment, zu dessen Gelingen auch seine Bühnenbilder beitrugen. Für das Volkstheater will er auch künftig tätig sein. „Ich wollte nach 50 Jahren am Theater aufhören...“, hat er zwar geschrieben. „Aber ich kann ja net!“ sagt er.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 25 vom 20.06.2000

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