Magda Spiegel: Tragisches Schicksal einer Frankfurter Operndiva

Stadt Frankfurt gedenkt der außergewöhnlichen Sängerin

Eingeschworenen Opernfans ist Magda Spiegel ein Begriff. In Frankfurt feierte sie in den 20er, 30er Jahren Triumphe - und wurde von den Nazis umgebracht. „Bewundert und vergessen“, unter diesem Titel gedenkt die Stadt am 3. November in der Alten Oper der Künstlerin.

Frankfurt am Main (pia) - „Ihre Stimme ist eine Jahrhundert-Blume!“ sagte der berühmte Wagner-Dirigent Carl Muck über die Opernsängerin Magda Spiegel (1887-1944). Nachdem die Altistin 1917 an die Frankfurter Oper engagiert worden war, eroberte sie das Publikum im Sturm. Über 15 Jahre lang blieb sie der unumstrittene Star des Frankfurter Ensembles. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 jedoch mußte Magda Spiegel zahlreiche künstlerische Demütigungen hinnehmen, denn sie war jüdischer Herkunft. 1935 war ihre Bühnenkarriere beendet. Sie wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

Am 3. November, Magda Spiegels 110. Geburtstag, wird ihre Stimme wieder in der Frankfurter Alten Oper erklingen. Bei einer der Sängerin gewidmeten Gedenkveranstaltung des „Instituts für Stadtgeschichte“ und der „Gesellschaft der Freunde der Alten Oper Frankfurt“ wird sie von alten Schellackplatten zu hören sein. Diese seltenen Tondokumente hat die junge Historikerin Claudia Becker aufgestöbert. In ihrer kürzlich abgeschlossenen Magisterarbeit hat sie die außergewöhnliche Karriere der Frankfurter Operndiva Magda Spiegel rekonstruiert und wird darüber an jenem Abend berichten. „Bewundert und vergessen“, so der Titel der Veranstaltung.

Magdalena Spiegel wurde am 3. November 1887 in Prag geboren. In Dresden zur Opernsängerin ausgebildet, kam sie über mehrere Stationen im August 1917 als Erste Altistin an die Frankfurter Oper. Ihre erste Rolle in Frankfurt war die Azucena im „Troubadour". Magda Spiegel beherrschte ein breites Repertoire, sowohl im deutschen wie im italienischen Opernfach wie auch im Konzert- und Liedgesang. Besonders geschätzt wurde sie als Wagnersängerin. Ihre gut ausgebildete Stimme sei „von außerwöhnlicher Leuchtkraft, vollklingend in der Tiefe, in der Höhe glockenhell und rein“, schwärmte ein zeitgenössischer Journalist.

Magda Spiegel lasse, so sie den Mund auftue, die Umwelt vergessen, meinte 1930 der Feuilletonist und Kabarettist Hans Reimann. Er umschrieb damit elegant das einzige Manko der Sängerin: Magda Spiegel war nicht schön. Als 1923 Glucks „Orpheus“ auf dem Frankfurter Spielplan stand, wurde sie daher nicht für die Titelpartie besetzt, obwohl sie einst in Prag mit dieser Rolle ihre Karriere glanzvoll begonnen hatte und ihr als Erster Altistin die Rolle auch jetzt zugestanden hätte. Aber man konnte sich die damals 36jährige inzwischen einfach nicht mehr als ranken und schlanken Jüngling vorstellen. Magda Spiegel beschwerte sich beim Intendanten Ernst Lert: „Ich verzichte keinesfalls auf den Orpheus!“ Es kam zu aufgeregten Gesprächen zwischen der Solistin, dem Intendanten und dem Regisseur, aus denen Magda Spiegel als Siegerin hervorging. Sie sang den „Orpheus“ und wurde dafür von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt: „Eine Wonne für das Ohr.“

Immer wieder kämpfte Magda Spiegel selbstbewußt für ihr künstlerisches Interesse. Sie war unbequem, und als gefeierte Diva konnte sie es sich auch leisten, unbequem zu sein. Manchmal allerdings zeigte sie echte Allüren. So soll sie einmal zusammen mit dem Bassisten Hans Erl während der Vorstellung der „Meistersinger“ einfach das Theater verlassen haben, so daß die Oper ohne die Solisten zu Ende gespielt werden mußte. Der Position der Sängerin im Opernensemble taten solche gelegentlichen Eskapaden keinen Abbruch. „Die“ Spiegel konnte darauf bauen, daß für sie so schnell kein künstlerisch gleichwertiger Ersatz zu finden gewesen wäre.

Deshalb machte sie sich auch 1933, als etwa ihr Kollege Hans Erl aus „rassischen“ Gründen entlassen wurde, zunächst keine allzu großen Sorgen, zumal sie bereits seit 1904 evangelisch getauft war. Noch im März 1934 durfte sich Magda Spiegel, inzwischen die einzige noch engagierte „Nichtarierin“ im Solo-Ensemble der Frankfurter Oper, in völliger Sicherheit wiegen: Immerhin nahm sie der neue Intendant Hans Meissner auf die Tournee der Oper nach Holland mit. Für Pressefotos promenierte die Spiegel sogar Arm in Arm mit dem Frankfurter NS-Oberbürgermeister Krebs am Strand von Scheveningen. Zur gleichen Zeit intrigierte Gauleiter Sprenger bei Krebs gegen sie. Die Intendanz besetzte die ehemalige Erste Altistin kaum noch oder gar nur in winzigsten Anfängerrollen. Das Publikum blieb Magda Spiegel trotzdem treu. So fragte einer ihrer Fans schriftlich nach, warum sie nur noch so selten auf der Bühne zu sehen sei: „Sie ist doch wirklich unsere beste Sängerin!“

Bereits im Oktober 1934 waren sich die „braunen“ Herren endgültig einig, daß Magda Spiegels Vertrag nicht verlängert würde. Im Dezember 1934 teilte ihr der Verwaltungsdirektor der Städtischen Bühnen mündlich mit, daß sie mit Ablauf der Spielzeit 1934/35 nicht mehr weiterbeschäftigt würde. Magda Spiegel, inzwischen zusätzlich unerträglichen Denunziationen aus dem Kollegenkreis ausgesetzt, erlitt daraufhin am 6. Dezember 1934 einen Nervenzusammenbruch. Am 26. Juni 1935 verabschiedete sie sich in ihrer Glanzrolle, der Ortrud in Wagners „Lohengrin“, von ihrem Publikum.

Am 1. September 1942 wurde Magda Spiegel nach Theresienstadt deportiert. Im KZ war sie ein letztes Mal zu hören, bei einem Opernarienabend der „Abteilung für Freizeitgestaltung“. Sie sang damals eine Arie der Dalila von Saint-Saëns, ihrer Lieblingsrolle. Von Theresienstadt wurde sie am 19. November 1944 nach Auschwitz deportiert, wo sie wahrscheinlich direkt nach ihrer Ankunft in die Gaskammer geschickt wurde.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 41 vom 21.10.1997

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