Liesel Christ Biographie: Umfrage
Party mit Pep
Jutta W. Thomasius *
„Hast du schon mal ’ne Kellnerin gespielt?“ Liesel Christ, vom Publikum geliebt als „Mamma Hesselbach“ wie als mit Herz, Charme und Grips agierende Interpretin unterschiedlichster Rollen, dachte einen Augenblick nach. „So etwas gab’s auf jeden Fall schon mehrfach in meinem Repertoire. Warum?“
„Ich plane, unterstützt von unserer Zeitung, eine Benefiz-Veranstaltung zu Gunsten des Vereins ‚Freunde für Tel Aviv‘, dessen Gründungsmitglied du doch bist. Ich weiß, ihr wollt in Tel Aviv einen Kindergarten einrichten, den jüdische und arabische Kinder gemeinsam besuchen. Dafür braucht ihr Geld. Ich hoffe, wir können euch durch eine Party mit Pep – so soll der Abend heißen – ein hübsches Sümmchen beschaffen. Das Kempinski-Hotel Gravenbruch stellt uns gratis alle erforderlichen Räume einschließlich Küche, wo nicht etwa ein Gourmet-Menü, sondern ein deftiger Eintopf entsteht. Wenn du möchtest, darfst du auch mit umrühren. Und die Suppe dann später anreichen. Das Unterhaltungsprogramm bestreiten alle Beteiligten natürlich ohne Gage. Sie sollen an diesem Abend auf Bühne und Laufsteg etwas ganz anderes tun als in ihrem sonstigen Berufsleben. Couturier Ado Strube beispielsweise ist unser Mann am Klavier. Schauspielerin Anna Teluren tritt mit mir als Moderatorin auf. HR-Lottofee Karin Tietze-Ludwig, Komödiantin Christine Glasner und bekannte Damen der Frankfurter High Society verwandeln sich in Models, die Kreationen von Strube auf den Steg bringen. Zwei Frankfurter Pädagoginnen erscheinen als von Broadway-Star Dedée Dorée trainierte Steptanz-Girls. Dedée lädt außerdem alle Gäste zu einem Wettbewerb im Krawattenbinden ein. Ich selbst werde, von Strube begleitet, Schlager von Zarah Leander, Marika Rökk und Rosita Serrano singen. Du könntest auch unsere Empfangschefin sein...“
Liesel zögerte keinen Moment: „Klar bin ich dabei!“ Vier Worte, ein Versprechen.
Es wurde am 7. Mai 1981 vor über 300 Gästen bravourös eingelöst: „Unsere Liesel“ war, wie erhofft, Star des Abends. Sie konnte darüber hinaus Zuschauer wie Produzenten der Veranstaltung davon überzeugen, dass es sich ab und zu wohl lohnt, in eine „fremde Haut“ zu schlüpfen! Fast 15.000 Mark übergaben der damalige FNP-Verlagschef Werner Wirthle und ich der rührigen Israel-Freundin Liesel Christ und damit der Frankfurter Jüdischen Gemeinde als Erlös für den Kindergarten in Tel Aviv.
Mit ihren spontanen „Einsätzen“ verblüffte und überzeugte mich Liesel – deren gesunder Menschenverstand, gepaart mit einem gewissen, unerschrocken demonstrierten Eigensinn, echt „frankforderisch“ war – immer wieder. Es sprach sich weit über Mainhattan hinaus herum, dass man mit „der Christ“ rechnen konnte, wenn’s um ihre Heimatstadt ging, auf die sie stolz war. Die sie aber gleichzeitig so kritisch sah wie einst ihr Landsmann Friedrich Stoltze. Auch für Hilfestellungen fern von Frankfurt konnte man Liesel gewinnen, wenn ihr dieselben gerechtfertigt erschienen.
Dass ich oft über die unterschiedlichsten „Christ-Hilfen“ in der FNP berichtete, war ihr natürlich lieb. Aber wenn sie mir von neuen überregionalen Aktivitäten oder von ihr vorschwebenden humanitären Engagements erzählte, legte sie es nie a priori auf Berichterstattung an. Noch während sie sprach, machte sie ab und zu eine kleine Pause, atmete tief durch, sah mich forschend an und fragte: „Was hältst denn DU davon...?“ Und dann waren wir plötzlich nicht mehr Theaterprinzipalin und Zeitungsschreiberin, sondern nur noch zwei Weibsleut’, die sich austauschten.
Als resolute Kämpferin und unermüdliche Theaterfrau, als hilfsbereite Bürgerin und engagierte Wohltäterin bleibt sie mir in Erinnerung: Liesel Christ, die das ihr vorschwebende „ideale Theater“ als „literarisches Volks-Theater“ verwirklichte. Diesem Theater, in dem Menschen mit Verstand genießen und eine Menge dazulernen dürfen, wünsche ich ein sehr, sehr langes Leben!
* Die Journalistin Jutta W. Thomasius kannte durch ihre Arbeit als Reporterin und Theaterkritikerin für die Frankfurter Neue Presse die Schauspielerin Liesel Christ schon seit deren Landesbühnenzeit. Im Laufe der Zeit entwickelte sich zwischen den beiden Damen ein freundschaftliches Verhältnis.