Liesel Christ Biographie: Umfrage

Unvergesslich

Hilmar Hoffmann *
 

Liesel Christ lebt als Legende mitten unter uns. Auch wenn sie seit 1996 nicht mehr auf den Brettern steht, die ihr schon als Siebenjährige in der Titelrolle von „Peterchens Mondfahrt“ die Welt bedeuteten, so ist sie immer noch präsent, sooft einer das Portal ihres Volkstheaters am Großen Hirschgraben durchschreitet und von ihrer Aura umfangen wird.

Aber auch kulturgeschichtlich wird Liesel Christ als Synonym für Frankfurt, ihre geliebte „Vadderstadt“, gegenwärtig bleiben. Für die Wiederentdeckung und schließlich die Beheima­tung der durch ihre Ausdruckskunst nobilitierten frankfurttypischen „Muddersprach“ werden die Stadt und ihre Bürger ihre immer dankbar bleiben. Über das fröhliche frankforterische Ge­babbel identifizieren sich inzwischen immer mehr Menschen mit ihrer Stadt. Ja, es ist ihr mit vielen gut besuchten Auftritten gelungen, diesen idiomatischen Zungenschlag als „Mudder­sprach“ sympathisch zu machen, und das nicht nur bei den Besuchern des Volkstheaters. Als ihr Ruhm 1959 mit ihrer populären Fernsehrolle als „Mama Hesselbach“ an der Seite des ebenfalls unvergesslichen Wolf Schmidt begann und als Partnerin des großen Günter Strack in der ZDF-Serie „Mit Leib und Seele“ fortgesetzt wurde, hat sie damit ein Millionenpubli­kum begeistert. In diesen vielen Herzen hat sich unsere geliebte Liesel ein Wohnrecht erspielt.

Aber bevor Liesel Christs Idee verwirklicht werden konnte, über die gespielte Theaterliteratur von Heimatdichtern wie Friedrich Stoltze, Carl Malss oder Ernst Nebhut die idiomatischen Wurzeln bloßzulegen, mit denen sich die Frankfurter sollten identifizieren können, hatten die Götter einen dornenreichen Weg, hohe finanzielle Hürden und den Schweiß der Edlen gesetzt.

Als Walter Möller mich 1970 nach Frankfurt holte, galt eines seiner vielen Desiderate an die neue Kulturpolitik, unbedingt den Traum der Liesel Christ realisieren zu helfen. Weil für ihr Volkstheater noch keine Mittel im Etat standen, erhielt sie 1971 zunächst nur 20.000 Mark, im folgenden Jahr mit einem fest etatisierten Zuschuss von 40.000 Mark Planungssicherheit. Heute beträgt der Gesamtetat mehr als 1,2 Mio. Euro, daran beteiligt sich die Stadt mit 600.000 Euro. Die Stadt hat dem Volkstheater auch hilfreich bei der Suche seiner Domizile zur Seite gestanden und die Umbaukosten getragen.

Diese selbstverständliche Bringschuld belegt auch, für wie wichtig und unverzichtbar die Frankfurter Kulturpolitik die Arbeit von Liesel Christ und ihrem großartigen Ensemble all die Jahre bis heute zu estimieren wusste, gleichgültig, ob der jeweilige Oberbürgermeister der SPD oder der CDU angehörte: Liesel Christ war schlicht überparteilich wie schon ihr Meister Stoltze.

Frankfurts Ehrenbürger Theodor Heuss prägte 1959 in der Paulskirche, als er hier auch den Friedenspreis erhielt, das schöne, oft zitierte Kompliment: „Immer wenn ich hier war, spürte ich beides: Weite einer Weltgesinnung und Nähe eines Heimatgefühls: Goethe und Friedrich Stoltze“ – und Liesel Christ, fügen wir selbstbewusst hinzu.

* Der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann hat während seiner Amtszeit als Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main (1970-1990) das Volkstheater und dessen Prinzipalin Liesel Christ begleitet und unterstützt.

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