Ein Frankfurter Buchhändler und Homme de lettres

Zum 100. Geburtstag von Heinrich Cobet

Er führte seit 1939 die „Frankfurter Bücherstube Schumann u. Cobet“ und baute sie nach dem Krieg zu einer der bedeutendsten Buchhandlungen in Deutschland auf. Vor allem aber trug der am 27. September 1904 geborene Heinrich Cobet wesentlich dazu bei, dass Frankfurt zur bundesdeutschen Buchstadt und zum Veranstaltungsort der Buchmesse wurde.

Frankfurt am Main (pia) „Den müssten Sie lesen!“ Der Journalist vor dem Schaufenster des Buchladens sah auf. Neben ihm stand der Buchhändler, der einen prüfenden Blick auf die frisch geordnete Auslage hatte werfen wollen. Dabei hatte er gespürt, wie gierig der Mann vor dem Fenster Thomas Wolfes Roman „Von Zeit und Strom“ angesehen hatte. Es fehle ihm an den „notwendigen Mitteln“, murmelte der stellungslose Redakteur. Das tue nichts, meinte der Buchhändler, bezahlen könne er immer noch. Der Journalist Richard Kirn hat dem Buchhändler Heinrich Cobet das nie vergessen. Die Episode vor der „Frankfurter Bücherstube“ im Jahr 1934 ist bezeichnend für Cobets Geschäftsphilosophie. Er verstand seinen in der Nähe der Börse gelegenen Laden immer als „intellektuelle Börse“, wo Bücher nicht als Ware verkauft wurden.

Vor 100 Jahren, am 27. September 1904, wurde Heinrich Cobet in Hamm in Westfalen geboren. Der Apothekersohn hugenottischer Abstammung führte seit 1939 die „Frankfurter Bücherstube Schumann u. Cobet“, die er nach dem Krieg zu einer der bedeutendsten Buchhandlungen in Deutschland aufbaute. Vor allem aber trug Cobet wesentlich dazu bei, dass Frankfurt zur bundesdeutschen Buchstadt wurde. So gehörte er zu den Begründern der Frankfurter Buchmesse, die ihm ihre internationale Ausrichtung verdankt. Auch an der Etablierung des heutigen Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Deutschen Bibliothek in der Mainstadt war er beteiligt. Außerdem engagierte er sich für die Einrichtung der Buchhändlerschule in Frankfurt-Seckbach und des „Klingspormuseums für Buch- und Schriftkunst des 20. Jahrhunderts“ in Offenbach.

Nach seinem Examen an der Buchhändler-Lehranstalt in Leipzig war Cobet im Jahr 1926 nach Frankfurt gekommen, wo er bei Walter Schatzki in dessen 1920 als „Jugendbücherstube“ gegründeter Buchhandlung in die Lehre ging. Daneben studierte er in Heidelberg bei Karl Mannheim, dem späteren Ordinarius für Soziologie in Frankfurt, dessen Theorien zur Bewusstseinsbildung ihn als angehenden Buchhändler besonders interessierten. Im Jahr 1933 folgte er dem Lehrer ins Exil nach London, eigentlich um dort zu promovieren, was sich angesichts der äußeren Umstände in der Emigration nicht realisieren ließ. Cobet kam daher bald nach Frankfurt zurück, übernahm nach Schatzkis durch die Nationalsozialisten erzwungener Emigration dessen „Bücherstube“ und führte sie zusammen mit seinem Kompagnon Richard Schumann im Sinne des Gründers weiter. Vom Kriegsdienst heimgekehrt, fand er das Haus mit seinem Buchladen in Trümmern vor. Im Kellergewölbe, wo er noch einige Reste verkohlter Bücher aus dem alten Lager entdeckte, begann er unverzüglich mit dem Wiederaufbau seines Geschäfts, dem er nun auch einen eigenen Verlag angliederte. So brachte er zum 100. Jahrestag der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche 1948 das bibliophile Werk „500 Jahre Buch und Druck in Frankfurt“ heraus.

Schon früh erkannte Cobet, dass Deutschlands Teilung länger dauern könnte. Er setzte sich daher erfolgreich dafür ein, dass wichtige Institutionen des Buchwesens, die vor dem Krieg in Leipzig ansässig waren, in der Bundesrepublik neu begründet und in Frankfurt angesiedelt wurden. Auf seine maßgebliche Initiative hin entstanden hier der Börsenverein Deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände (der heutige Börsenverein des Deutschen Buchhandels) und die Deutsche Bibliothek neu. Als der Hessische Verleger- und Buchhändler-Verband unter dem Vorsitz von Alfred Grade erstmals eine Buchmesse in Frankfurt plante, wurde Cobet in den Messeausschuss geholt. Er wiederum verpflichtete seinen Kriegskameraden Dr. Wilhelm Müller zum Leiter des „Messebüros“. Dieses Büro war eine Ecke im Keller der „Bücherstube“, wo aus einer Spanplatte und zwei Kisten ein Schreibtisch gebaut wurde. Von dort aus organisierten Cobet, Müller und eine Sekretärin die erste Frankfurter Buchmesse, die im September 1949 in der wieder aufgebauten Paulskirche stattfand. Der Veranstaltungsort, unweit des früheren Buchhändlerviertels um die Buchgasse in der Altstadt, hatte für Cobet symbolische Bedeutung: „Die Buchmesse zeigt, dass Frankfurt nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein geistiges Zentrum ist“, meinte er. Dem Umzug der Buchmesse auf das Messegelände 1951 stand er wegen der damit verbundenen Kommerzialisierung eher skeptisch gegenüber. Dennoch gehörte er auch in späteren Jahren noch dem Messeausschuss an.

In seiner „Frankfurter Bücherstube“, auf dem Biedermeiersofa am runden Tisch, residierte Heinrich Cobet, meist im blaugrauen Anzug mit breiter Fliege, bis ins hohe Alter. Dort empfing der geistreiche Homme de lettres, der in druckreifen Sätzen plaudern konnte, sein Publikum, und oft genug lud er einen Gesprächspartner zum Schmökern auf der Couch ein. Schon lange fürchtete Cobet, dass sich der Buchhandel wegen der hohen Mieten nicht in der Innenstadt halten könnte. Nach einem Eigentümerwechsel des Hauses an der Börsenstraße mussten er und Schumann 1988 ihr Geschäft, eine der letzten individuell geprägten Buchhandlungen überhaupt, verkaufen. Der neue Besitzer, Siegfried Unseld und sein Suhrkamp-Verlag, wollte das Unternehmen im alten Stil fortführen, auch wenn es infolge eines Umbaus des Stammhauses 1993 verlegt werden musste. Am 5. Februar 1994 starb Heinrich Cobet im 90. Lebensjahr in Frankfurt. Nur ein knappes Jahr später wurde die „Frankfurter Bücherstube“ in der Innenstadt ganz geschlossen.

Sabine Hock

Wochendienst, hg. v. Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 34 vom 31.08.2004

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