Liesel Christ Biographie: Umfrage

Scherz mit Hähnchen-Knupperer und Verbot für Brezel-Knabberer

Heinz Schenk *
 

Liesel Christ war für mich nicht nur die Mamma Hesselbach im Fernsehen, sondern auch eine großartige Bühnenschauspielerin, die ich in vielen Rollen bewundert habe. Auch als Prinzipalin des Frankfurter Volkstheaters ist sie für mich unvergesslich. Leider hatte ich nur einmal das Glück und das Vergnügen, dort mit ihr gemeinsam aufzutreten.

Das Stück damals hieß „Rendezvous im Palmengarten“ und war von dem bekannten Frankfurter Mundartdichter Adolf Stoltze. Ich spielte darin den Witwer Bohneberger, „der in die Bahn gefallen war“. Das heißt, er war durch Grundstücksverkäufe an die Eisenbahn reich geworden. Liesel Christ spielte die Frau Wirbel, die ihn gerne als Ehemann eingefangen hätte.

Bei einer Szene auf dem Frankfurter Markt wurde sie während ihrer Einkäufe von Herrn Knupperer, den der bekannte Schauspieler Walter Flamme verkörperte, bei einem Zwiegespräch nach allen Regeln der Kunst beklaut. Höhepunkt dabei war, dass er ihr nach diversen Gemüsen ein Hähnchen aus ihrem Einkaufskorb nahm und es in seiner Jackentasche verschwinden ließ.

Das Stück lief 1987 mit großem Erfolg über 50-mal und wurde 1988 noch einmal mit der gleichen Anzahl Aufführungen wieder in den Spielplan aufgenommen. Vor der allerletzten Vorstellung ging ich zu Liesel und versuchte, sie für einen Streich zu gewinnen. Ich schlug ihr vor, das Hähnchen mit einem Gummiband an dem Einkaufskorb zu befestigen, so dass es dank der Elastizität des Bandes dann wieder zurück in ihren Korb befördert würde. Da bei Liesel alles korrekt zuging, kostete es mich einige Überzeugungskraft, sie zu diesem Vorhaben zu überreden.

Bei der Aufführung standen alle Kollegen, die ich vorher eingeweiht hatte, hinter der Bühne, um den Rückflug des toten Hähnchens zu erleben. Herr Knupperer klaute wie immer und nahm zum Abschluss seiner Diebstahlsserie den Gummiadler aus dem Korb, um ihn wie gewohnt in die Tasche zu stecken. Als dieser jedoch im hohen Bogen wieder zu seiner Besitzerin zurückflog, genossen wir alle Walter Flammes verdutztes Gesicht. Bei der anschließenden Abschiedsfeier wurde herzhaft darüber gelacht.

Auch das Publikum hatte seinen Spaß an diesem Streich.

Liesel sprach später bei der Aufzeichnung zu dem Stück „De Geizhals“, einer hessischen Bearbeitung des „Geizigen“ von Molière, für mich ein absolutes Brezelverbot aus. Und das kam so:
1991 wurde dieses Stück für die ARD im Volkstheater aufgezeichnet. Ich spielte den Harpagon, und nach der Generalprobe am Nachmittag ging ich noch etwas spazieren und kaufte mir leichtsinnigerweise an der Hauptwache eine Brezel, die wahrscheinlich schon länger in Frankfurt war als ich. Bei einem herzhaften Biss brach mir aufgrund der Härte des Gebäcks ein Schneidezahn ab, den ich verdutzt in der Hand hielt und entsetzt bei meiner Rückkehr ins Theater Liesel zeigte.

Es war drei Stunden vor Beginn der Aufzeichnung.
Doch sie wusste Rat. Ich wurde von einem Bühnenarbeiter zu einem Zahnarzt nach Frankfurt-Heddernheim gefahren. Der mir, obwohl er kein Mathematiker war, nach einer Spezialspritze die Wurzel zog.

Um halb acht war ich mit einem angeklebten Zahn, doch ohne jedes Gefühl im Mund wieder im Theater. Und pünktlich um acht Uhr begann die Aufzeichnung vor ausverkauftem Haus. Nach dem ersten Akt kamen die Maskenbildnerinnen des HR aufgeregt hinter die Bühne gerannt und sagten: „Herr Schenk, Sie bluten so, Sie machen ja Dracula Konkurrenz.“

Und da sprach Liesel für mich ein absolutes Brezelverbot vor Premieren und Fernsehaufzeichnungen aus. Obwohl sie es scherzhaft gemeint hatte, halte ich mich noch heute daran.

Unseren letzten gemeinsamen Fernsehauftritt hatten wir in einer Folge der Sommergeschichten der ARD mit dem Titel „A la minute“. Liesel spielte meine Frau, die in dem Hotel, in dem ich als Koch arbeitete, die Garderobenfrau war.
Da merkte ich, dass sie, die sonst immer perfekt war, leichte Textschwierigkeiten hatte. Bei einer Szene, in der sie hinter ihrer Garderobe mir gegenüber saß, hielt ich den Text so vor meinen Bauch, dass sie ihn ablesen konnte.

Nie hätte ich gedacht, als ich mich damals verabschiedete, dass es ein Abschied für immer sein würde. Ich würde gerne noch heute zu ihr den Satz sagen, den ich jeden Abend wenn ich mich von ihr verabschiedete, im Theater sagte: „Liesel, ich freue mich auf morgen.“

* Der Entertainer Heinz Schenk, in dessen Fernsehwirtshaus „Zum blauen Bock“ auch Liesel Christ gern und öfter einkehrte, gastierte seit 1987 erfolgreich als Schauspieler am Volkstheater.

Seitenanfang